Frankfurt am Main. Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes ist überzeugt, Volksentscheid über Olympiabewerbung in Hansestadt gewinnen zu können.
Es war gegen halb neun am Montagabend, als Alfons Hörmann im Restaurant des Frankfurter Lindner-Hotels endlich Platz nehmen und „eine Kleinigkeit“ zu essen und zu trinken bestellen konnte. Und es schien fast so, dass in diesem Moment, als er seine schwarze Aktentasche unter den Tisch stellte, die ganze Anspannung der vergangenen Tage vom Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) abfiel.
Anderthalb Stunden lang hatte er zuvor die nicht einstimmige, am Ende aber einmütige Empfehlung des Präsidiums für Hamburg in laufende Kameras und vorgehaltene Mikrofone erklären müssen und dabei immer wieder vier Gründe hervorgehoben: das überraschend klare 18:11-Votum der olympischen Spitzenverbände, das eindeutige Meinungsbild in der Expertenrunde am Nachmittag, das passgenaue kompakte Hamburger Konzept mit Spielen am Wasser und in der City als Antwort auf die Reformagenda 2020 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und die große Chance, in der Hansestadt im Herbst das Referendum über eine Olympiabewerbung erfolgreich bestehen zu können. Bei einer vom DOSB in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage hatten sich im Februar 64 Prozent der Hamburger für eine Olympiakampagne der Stadt ausgesprochen, in Berlin nur 55 Prozent.
Auch sportpolitische Überlegungen haben bei der Entscheidung offenbar eine Rolle gespielt. „Mit Hamburg gewinnen wir jetzt ein neues Zentrum für den Wettkampfsport, das im Norden bisher fehlte. Berlin wird weiter eine wichtige Funktion in der deutschen Sportlandschaft einnehmen, weiter großartige Events organisieren, wir haben aber jetzt einen weiteren starken Player dazubekommen. Das tut dem gesamten deutschen Sport gut, und deshalb war Hamburg strategisch genau die richtige Wahl“, sagte Hockeypräsident Stephan Abel, DOSB-Vizepräsident für Wirtschaft und Finanzen.
Mögliche Bedenken, Hamburg könnte aufgrund fehlender Bekanntheit international gegen Städte wie Boston, Paris oder Rom nicht konkurrenzfähig sein, hätte die Expertenrunde zerstreut, sagte Hörmann. „Die gesamten Diskussionen des Wochenendes haben sich als äußerst fruchtbar erwiesen. Ohne diesen Prozess wäre die Abstimmung eventuell anders verlaufen.“ Auch Ruderpräsident Siegfried Kaidel, Sprecher der 34 olympischen Fachverbände, wusste von „lebhaften, bis zum Schluss ergebnisoffenen Gesprächen zu berichten“.
Mit der Empfehlung für Hamburg, das war am Montagabend herauszuhören, verbinden sich auch einige Erwartungen an die Stadt. Die Hoffnung besteht, dass Hamburg fortan bereit sein wird, vermehrt internationale Meisterschaften auszurichten oder sich um diese zu bewerben. In der Vergangenheit hatte der Senat davon Abstand genommen, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis oft nicht stimmte.
Am Sonnabendmittag muss nun die außerordentliche Mitgliederversammlung des DOSB in der Frankfurter Paulskirche die Empfehlung ihres Präsidiums noch absegnen. Die Zustimmung gilt nach dem weitgehend harmonischen Verlauf der Unterredungen in den vergangenen beiden Tagen als sicher. Formal ist nur das Votum der 34 olympischen Sportverbände, der neun Präsidiums- und 15 persönlichen Mitglieder entscheidend. Die 29 nicht olympischen Verbände, die 20 Verbände mit besonderen Aufgaben und die 16 Landessportbünde sollen zunächst aber mitentscheiden dürfen. Sollte die Abstimmung jedoch keine klare Mehrheit für eine Hamburger Olympiabewerbung ergeben, was niemand mehr erwartet, würden die 65 Vertreter dieser Organisationen vom zweiten Wahlgang ausgeschlossen.
Am Vormittag hatten beide Städte im Sepp-Herberger-Tagesraum in der benachbarten Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) noch einmal ihre Olympiakonzepte ausführlich erläutert, diesmal vor 43 vom DOSB eingeladenen Persönlichkeiten der deutschen Zivilgesellschaft. Darunter waren der ehemalige Reckweltmeister und CDU-Bundestagsabgeordnete Eberhard Gienger, Bernhard Bauske vom World Wide Fund For Nature, der Uno-Sonderbeauftragte für Sport, Willi Lemke (Werder Bremen), der ehemalige ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen, Weihbischof Jörg Michael Peters und Aiman A. Mazyek vom Zentralrat der Muslime. Als Letzter traf der Hamburger Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste ein, weil sein Flug in Fuhlsbüttel kurzfristig gestrichen worden war.
Zur Hamburger Delegation um Sportsenator Michael Neumann und Staatsrat Christoph Krupp, die am Vortag den Spitzensportverbänden Rede und Antwort gestanden hatte, waren noch Grünen-Chefin Katharina Fegebank, Reinhard Wolf, Olympiabeauftragter der Handelskammer, und die ehemalige Rollstuhlbasketballerin Edina Müller, Paralympicssiegerin 2012 in London, gestoßen. Nach ihrer Anhörung machten sie sich alle gegen 13 Uhr auf den Rückweg nach Hamburg, um die Entscheidung in der O2 World zu erleben. Nur Fegebank eilte noch zu Koalitionsverhandlungen ins Rathaus.
Während sich am Sonntag Hamburg und Berlin den Verbänden getrennt vorstellen mussten, wurden am Montag nach der Vorstellung ihrer Pläne beide Städte gemeinsam vernommen. Die Fragen an beide Abordnungen beschäftigten sich hauptsächlich mit den Themen Bürgerbeteiligung, Nachhaltigkeit und Inklusion. „Viele wollten von uns wissen, wie wir die Olympiakritiker in den kommenden Monaten einbinden wollen“, berichtete Fegebank. Ihre Antwort: „Wir werden weiter auf sie zugehen, ihnen genau zuhören und sie an allen Prozessen beteiligen. Ein Projekt wie Olympia darf niemanden in Hamburg ausgrenzen, soziale und ökologische Standards müssen garantiert werden.“
Kaweh Niroomand, Sprecher der Berliner Profivereine und Mitglieder der Berliner Delegation, war begeistert von ihren Antworten: „Solche Grüne wie Sie wünsche ich mir auch in Berlin, die ,Ja, aber‘ sagen und nicht wie bei uns das Aber voranstellen.“