Hamburg. Johann D. hat einem Angeklagten angeboten, für 20.000 Euro einen Freispruch zu erwirken. Der Laienrichter leugnet die Tat allerdings.

Er hatte vermeintlich hehre Motive und beste Absichten. Seine freiwillige Bewerbung um das Schöffenamt, seine Aussage, es sei eine „Ehre“ für ihn gewesen, Laienrichter zu sein. Und er habe seine Pflichten „sehr ernst genommen“. Alles lebhafte Beteuerungen, der Wahrheit dienen zu wollen. Doch tatsächlich hat der ehemalige Schöffe Johann D. dem Richteramt einen schweren Schaden zugefügt. „Sie haben ein Geschäft mit der Freiheit eines Menschen machen wollen. Das ist besonders verwerflich“, mahnte die Vorsitzende Richterin im Prozess gegen den 31-Jährigen. Wegen Bestechlichkeit verurteilte das Landgericht den Mann jetzt zu drei Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten gefordert, die Verteidigung Freispruch beantragt.

So einen Fall hat es in der Geschichte der Hamburger Justiz noch nicht gegeben. Ein Schöffe, der sich an einen Angeklagten wendet und ihm zu verstehen gibt, dass er gegen eine beträchtliche Zahlung für dessen Freispruch sorgen werde. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass Johann D. im Juni 2014 als Ehrenamtlicher Richter in einem Korruptionsprozess vor einer Wirtschaftstrafkammer einem der drei Angeklagten genau dies angeboten hat, 20.000 Euro wollte er dafür einstreichen, 20.000 Euro sollte seiner Vorstellung nach der zweite Schöffe erhalten, den er noch davon überzeugen wollte, für einen Freispruch zu votieren.

Es sei „immer wieder erstaunlich festzustellen“, wie schnell Menschen in der Öffentlichkeit meinten zu wissen, „ob jemand schuldig oder unschuldig ist“ und ob eine Strafe zu hoch oder vor allem zu niedrig sei, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. „Aber eine richterliche Entscheidung zu treffen, ist eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe und ein wichtiger Beitrag zu Rechtssicherheit und Rechtsfrieden.“ Mit seinem Versuch, einen Freispruch gegen Geld anzubieten, habe Johann D. das Richteramt „schwer beschädigt“.

„Es ging mir nicht um Geld“, hatte indes der frühere Schöffe zum Prozessauftakt beteuert. Immer wieder hatte Johann D. betont, wie wichtig ihm sein Ehrenamt gewesen sei und dass es ihm nur um Gerechtigkeit gehe. „Diese Tat habe ich nicht begangen“, sagte er über die Vorwürfe. Zwar habe er den damaligen Angeklagten tatsächlich an dessen Wohnort aufgesucht, räumte er ein. Aber er habe „weder für sich“ noch für den anderen Schöffen „Geld gefordert“, insistierte der Angeklagte. Er habe auch nicht angeboten, das Urteil zu beeinflussen. Vielmehr habe er dem damaligen Vorsitzenden Richter in dem Prozess „einen Denkzettel verpassen“ wollen, weil er sich von ihm nicht ernst genommen fühlte. Er habe den damaligen Beschuldigten warnen wollen, dass ihm eine Verurteilung bevorstehe. Doch der Angeklagte Jürgen B. hatte die Begegnung ganz anders geschildert. Demnach hatte Johann D. ihm sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er käuflich sei.

Laienrichter haben vor Gericht das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter. Da für eine Verurteilung in einem Verfahren eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, hätte tatsächlich in der damals mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzten Kammer ein entsprechendes Votum der beiden Laienrichter ausgereicht, um eine Verurteilung zu verhindern. Doch der damalige Angeklagte wandte sich an seinen Verteidiger und schilderte ihm das unmoralische Angebot. Der damalige Prozess platzte daraufhin und musste vollkommen neu aufgerollt werden. Die Kosten dafür, die Kenner auf mindestens 30.000 Euro schätzen, wurden mittlerweile dem Schöffen Johann D. auferlegt. Die damaligen Angeklagten wurden inzwischen in einem neuen Verfahren zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Warum Johann D. sich bestechlich gezeigt hat, dafür gebe es „keine vernünftige Erklärung“, sagte die Vorsitzende Richterin. Er habe jedenfalls seine Entscheidung über die Freiheit eines Menschen „nicht anhand von Beweisen, sondern aufgrund unsachgemäßer Erwägungen“ gefällt und zudem verbotenerweise Details aus den richterlichen Beratungen bekannt gegeben. Auch die Staatsanwaltschaft hatte das Verhalten von Johann D. in ihrem Plädoyer aufs Schärfste gerügt. Dieser habe, so die Anklagevertreterin, „der Rechtsfindung Schaden zugefügt und zudem dem Ehrenamt einen schlechten Dienst erwiesen“.