In einem Korruptionsprozess bei einer Wirtschaftsstrafkammer soll der Mann nach Informationen des Abendblattes einem der Angeklagten angeboten haben, er wolle für dessen Freispruch sorgen – vorausgesetzt, der Angeklagte zahlt ihm ein hohes Bestechungsgeld.

Hamburg. Sie sind wichtige Stützen für die Justiz: die Ehrenamtlichen Richter. Und sie schwören bei ihrer Vereidigung unter anderem, dass sie „nur der Wahrheit und Gerechtigkeit dienen“ werden. Doch jetzt hat ein Schöffe beim Landgericht diese Verpflichtung offenbar auf beispiellose Weise missachtet: In einem Korruptionsprozess bei einer Wirtschaftsstrafkammer soll der Mann nach Informationen des Abendblattes einem der Angeklagten angeboten haben, er wolle für dessen Freispruch sorgen – vorausgesetzt, der Angeklagte zahlt ihm ein hohes Bestechungsgeld. Angeblich ging es um 40.000 Euro. Dieser ungeheure Vorgang flog auf; der Prozess ist mittlerweile geplatzt.

Gegen den Schöffen ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. „Es geht um den Vorwurf der Bestechlichkeit“, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach dem Abendblatt auf Anfrage. Ferner wird auch wegen Verabredung zu einem Verbrechen gegen den Laienrichter ermittelt. Erhärten sich die Vorwürfe gegen den 30-jährigen Mann, droht ihm mindestens ein Jahr Haft.

„Ein solcher Vorgang ist mir in meiner ganzen Laufbahn noch nicht vorgekommen“, sagte ein erfahrener Jurist dazu. In dem besagtem Prozess vor dem Landgericht müssen sich drei Angeklagte wegen Korruption verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr vor. Laut Anklage hat einer der Männer, ein Handwerker, Geld an den Projektleiter eines großen Unternehmens gezahlt, um an Aufträge zu kommen. Der Projektleiter schusterte ihm demnach auch Aufträge zu - und das, obwohl den Ermittlungen zufolge die Arbeiten teilweise gar nicht erforderlich waren. Der dritte Verdächtige soll bei der Abwicklung der Bestechung geholfen haben. Die Staatsanwaltschaft hatte für die beiden Hauptangeklagten je drei Jahre Freiheitsstrafe und für den dritten Mann ein Jahr Haft mit Bewährung beantragt.

Schöffen haben in einem Prozess das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter. Für eine Verurteilung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. In einer mit drei Berufs- und zwei Laienrichtern besetzten Kammer reicht es demnach, dass zwei Richter für einen Freispruch votieren, um so eine Verurteilung zu verhindern. Nach Abendblatt-Informationen soll der Schöffe einem der Hauptangeklagten angeboten haben, er werde für dessen Freispruch stimmen und auch möglichst den anderen Laienrichter dazu überreden. Für diesen Betrug habe der 30-Jährige den hohen Betrag als Bestechungszahlung verlangt. Der Angeklagte soll dies seinem Verteidiger berichtet haben. Am 16. Prozesstag, an dem eigentlich ein Urteil verkündet werden sollte, kam alles heraus.

„Es gab einen Ablehnungsantrag gegen den Schöffen sowie gegen den Vorsitzenden Richter der Kammer“, sagte Gerichtssprecherin Ruth Hütteroth auf Anfrage. Das Ablehnungsgesuch gegen den Kammervorsitzenden wurde jedoch später zurückgekommen. Der Befangenheitsantrag gegen den Schöffen wurde, wie es unter Juristen als sicher galt, mittlerweile als begründet angesehen. Damit ist der Prozess geplatzt. Das Verfahren muss komplett neu aufgerollt werden. Parallel zu einer drohenden Strafe könnten auch noch hohe Kosten auf den Schöffen zukommen. Möglich ist, dass er für den geplatzten Prozess bezahlen muss.