Trotz Auftritt bei den „Grauen Wölfen“ behält die Vorsitzende der Türkischen Gemeinde zunächst alle Mitgliederrechte. Das hat das Schiedsgericht entschieden.

Hamburg. Wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl muss der Vorstand der Hamburger Grünen eine empfindliche Niederlage in einem parteiinternen Streit einstecken. Im Parteiausschlussverfahren gegen die eigene Bürgerschaftskandidatin und Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Nebahat Güçlü, hat das Landesschiedsgericht einen Beschluss der Parteiführung um Katharina Fegebank abgelehnt, nach dem Güçlü mit sofortiger Wirkung aller ihre Mitgliederrechte verlieren sollte.

Wie berichtet, war Güçlü, die von 2008 bis 2010 Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft gewesen ist, Mitte Januar als Rednerin bei einer Veranstaltung der als extrem nationalistisch geltenden Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland aufgetreten, zu denen auch die rechtsextremen „Grauen Wölfe“ gerechnet werden. Laut Verfassungsschutzbericht liegt der Bewegung „ein übersteigerter türkischer Nationalismus zugrunde, der mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie und einer Abwertung anderer Ethnien gepaart ist“.

Güçlü sollte auf Kandidatur verzichten

Die „Grauen Wölfe“ werden für viele Morde in der Türkei verantwortlich gemacht. Nach Bekanntwerden des Auftritts hatte die Parteiführung Güçlü aufgefordert, auf ihre Kandidatur auf Platz 25 der Landesliste zu verzichten. Da die 49-jährige Germanistin und Politologin das ablehnte, entschied der Vorstand, ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Sie habe mit dem Auftritt gegen grüne Grundwerte verstoßen. Zugleich wurde der sofortige Verlust aller Mitgliederrechte verfügt.

Dagegen hat sich Güçlü nun formal zur Wehr gesetzt – pikanterweise mit Hilfe des Rechtsanwalts Christian Maaß, ebenfalls ein prominenter Grüner und bis 2010 Hamburger Umweltstaatsrat. Dieser hatte einen Eilantrag gegen den sofortigen Verlust der Mitgliederrechte beim Landesschiedsgericht gestellt. Am Mittwochabend gab der Schiedsgerichts-Vorsitzende Ernst Medecke dem Maaß-Antrag statt. Zuvor hatte er sich telefonisch mit den beiden anderen Mitgliedern des Schiedsgerichts Heike Opitz (Ehefrau von Ex-Justizsenator Till Steffen) und Bettina Kähler, abgesprochen. Damit ist Güçlü zunächst weiterhin Grünen-Mitglied mit allen Rechten.

Rummel könnte für Güçlü nützlich sein

Grund für den Teilsieg Güçlüs ist ein Formfehler der Grünen-Führung. Diese habe mit der 1995 eingebürgerten Altonaerin nur in einer Telefonkonferenz gesprochen, ihr aber kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt, so die Begründung des Schiedsgerichts. Güçlü kann nun mit vollen Rechten bei der Landesmitgliederversammlung am Mittwoch nach der Wahl auftreten – bei der es je nach Wahlausgang auch um die Besetzung einer Verhandlungskommission für Koalitionsverhandlungen gehen könnte.

Mittlerweile gehen manche Beobachter davon aus, dass der Rummel Güçlü eher nützen und ihr trotz des nicht sonderlich günstigen Platz 25 auf der Grünen-Landesliste so viele Personenstimmen von türkischstämmigen Wählern einbringen könnte, dass es für den Einzug in der Bürgerschaft reicht. Dann hätte die neue Grünen-Fraktion gleich von Beginn an ein massives Problem in den eigenen Reihen.

Güçlü habe sich „vergaloppiert“

In der Hauptsache will das Schiedsgericht erst in der zweiten Märzhälfte über den Parteiausschluss entscheiden. Dass sich die Parteiführung mit ihrem Antrag durchsetzt, gilt mittlerweile als eher unwahrscheinlich. Zwar habe Güçlü sich mit dem Auftritt bei den Rechtsextremisten und den widersprüchlichen Erklärungen danach „vergaloppiert“, hieß es am Donnerstag. Allerdings habe der Parteivorstand auch überreagiert.

Die aktuelle Entscheidung zeige, „dass der Landesvorstand völlig über das Ziel hinaus geschossen ist“, schrieb Güçlü bei Facebook. „Der Landesvorstand sollte zur Besinnung kommen und mit mir für Toleranz und um Wählerstimmen kämpfen, anstatt ausgewiesene Antirassisten wie mich im Wahlkampf-Endspurt wegen eines kurzen Auftrittes bei einer umstrittenen Veranstaltung mit einem völlig unverhältnismäßigen Ausschluss-Verfahren zu überziehen und mich in die rechte Ecke zu stellen.“

Grünen-Landesvize Manuel Sarrazin will dagegen keinen Rückzieher machen. „Wir akzeptieren die Feststellung eines Formfehlers“, sagte er am Donnerstag. „Gleichwohl halten wir den Antrag auf Ausschluss von Nebahat Güçlü aufrecht.“

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