Vier der neun Mitglieder verlassen den Vorstand. Der Rest gibt der Vorsitzenden Nebahat Güçlü in einer Erklärung Rückendeckung und wirft Medien und Grünen eine „Hetzkampagne“ vor.
Hamburg. Der Auftritt der Grünen-Politikerin Nebahat Güçlü vor den rechtsnationalistischen „Grauen Wölfen“ hat auch im Vorstand der Türkischen Gemeinde Hamburg (TGH) zu Auseinandersetzungen geführt. Güçlü, die seit zwei Jahren Vorsitzende der TGH ist, hatte zu einer Sondersitzung am Dienstagabend eingeladen. Dabei wurde nach Abendblatt-Informationen von Vorstandsmitglieder auch der Rücktritt Güçlüs wegen des Wahlkampfauftritts bei den Rechtsextremen am 18. Januar gefordert, für den sie aus der Partei der Grünen ausgeschlossen werden soll. Weil die Vorsitzende dies ablehnte, traten zwei Vorstandsmitglieder, darunter der Kassenwart, noch in der Nacht zurück.
Am Mittwochmittag schließlich gab die Türkische Gemeinde eine Pressemitteilung heraus. „Der Vorstand der TGH ist entsetzt über die Art und Weise der öffentlichen Berichterstattung und über die absurde Kritik, die vonseiten der Hamburger Grünen und vieler Medien an Nebahat Güçlüs politischer und persönlicher Integrität geübt wird“, heißt es darin. „Der Vorstand der TGH stellt sich hiermit hinter seine Vorsitzende und verurteilt die öffentliche Hetz- und Rufmordkampagne gegen Nebahat Güçlü aufs Schärfste.“
Wer Güçlü kenne, könne sich über die absurden Vorwürfe nur kopfschüttelnd wundern, heißt es darin weiter. Die Türkische Gemeinde in Hamburg vertrete die Auffassung, dass der kritische Dialog mit Andersdenkenden wichtig und notwendig sei. „Reflexhafte Verweigerung und No-Dialogue-Haltungen bringen uns gesellschaftlich nicht voran.“
Vorstands-Vize Coştur legt ebenfalls sein Amt nieder
Über die Rücktritte aus dem Vorstand stand kein Wort in der Erklärung. Wenig später führte die Pressemitteilung zu einem weiteren Rücktritt. Die Vorstands-Beisitzerin Canan Yildirim von der DGB-nahen Weiterbildungseinrichtung „Arbeit und Leben“ legte ebenfalls ihr Amt nieder. Sie sei gar nicht zu der Sondersitzung des Vorstandes eingeladen worden, sondern habe erst am Mittwoch davon erfahren, sagte Yildirim dem Abendblatt. „Und ich stehe auch nicht hinter der Erklärung.“ Unter diesen Umständen könne sie nicht weiter im Vorstand mitarbeiten.
Am Nachmittag legte auch Güçlüs Stellvertreter im TGH-Vorstand, der Hamam-Betreiber Coşkun Coştur, sein Amt nieder. Er habe sich stets dagegen ausgesprochen, dass politische Ämter oder Mandate mit Ämtern in der Türkischen Gemeinde verquickt würden, sagte Coştur dem Abendblatt. Güçlü habe das dennoch getan und als TGH-Chefin Wahlkampf für die Grünen gemacht. Ihr Auftritt bei den „Grauen Wölfen“ habe der TGH schweren öffentlichen Schaden zugefügt. „Für mich hat das jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht“, so Coştur. „Deswegen bin ich zurückgetreten.“ Auch er habe die Erklärung des Vorstandes nicht mit getragen.
Damit haben binnen eines Tages vier der neun TGH-Vorstände ihre Ämter niedergelegt. Binnen eines Monats muss es nun Nachwahlen geben. Die regulären Vorstandswahlen stehen Anfang April an.
Die Grünen blieben auch am Mittwoch bei ihrer Haltung. Der Vorstand werde den Parteiausschluss beantragen, über den dann das Landesschiedsgericht entscheiden müsse. Die Grünen-Spitzenkandidaten Katharina Fegebank und Jens Kerstan hatten Güçlüs Auftritt bei den vom Verfassungsschutz beobachteten türkischen Rechtsnationalisten als „unvereinbar mit unseren grünen Grundwerten und unserem Engagement gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“ bezeichnet: „Für uns ist klar: Wir werben nicht um Stimmen am rechten Rand.“
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