Im Abendblatt denken Olympiateilnehmer an ihren Auftritt bei den Spielen zurück. HSV-Torhüter Johannes Bitter hat vor allem das frühe Aus der Handballer 2008 in Peking noch gut vor Augen.
Bekanntlich steht speziell in Mannschaftssportarten der Erfolg des Kollektivs über allem, insofern war das olympische Handballturnier 2008 ein grandioser Misserfolg. Ich kann mich noch entsinnen, wie wir nach dem 21:27 im letzten Vorrundenspiel gegen Dänemark fassungslos in der Kabine saßen. Wir konnten kaum kapieren, dass wir mit zwei Siegen, einem Remis und zwei Niederlagen vorm Viertelfinale, also vor den folgenden K.-o.-Runden, haben scheitern können. Ich vermute, nie zuvor und danach ist ein Team mit so einer Bilanz aus einem bedeutenden internationalen Turnier ausgeschieden.
Immerhin kamen von den sechs Mannschaften in unserer Gruppe ja sage und schreibe vier weiter. Und ausgerechnet wir blieben hängen. Einfach unglaublich. Südkorea, der Sieger unserer Vorrundengruppe, hatte gerade mal einen Punkt mehr als wir.
Auch ich selbst war extrem geknickt. Schließlich hatte man uns vorher acht Wochen lang kaserniert, wir hatten uns geschunden, intensivst vorbereitet. Die Erwartungen flogen hoch. Natürlich hatten wir als amtierende Weltmeister andere Ziele, als nach der Vorrunde nach Hause fliegen zu müssen. Vielmehr zählten wir zu den heißen Favoriten auf Gold, Silber oder Bronze.
Im Vergleich zu dieser Enttäuschung sah meine persönliche Bilanz gar nicht so übel aus. Ich hatte mir Peking als Ziel gesetzt, seitdem ich 2003 in den erweiterten A-Kader von Bundestrainer Heiner Brand gerutscht war. Nein, eigentlich vorher schon. Meine Eltern erzählen gern die Geschichte, dass ich als Halbwüchsiger im Hinblick auf Pläne für den fernen Sommer 2008 geflachst haben soll: „Da kann ich nicht, da bin ich bei Olympia.” Insofern war die Teilnahme Erfüllung eines lang gehegten Sportlertraums.
Gegenseitiger Respekt unter Superstars
Auch mit meinen Leistungen bei den Spielen konnte ich zufrieden sein – und das Erlebnis an sich hinterließ eine Reihe positiver Erinnerungen. Allein die täglichen Zusammenkünfte von Leistungssportlern von überallher in einer relativ schlichten Mensa bleibt im Kopf und im Herzen haften. Dieser gegenseitige Respekt, diese Gemeinschaft zwischen Superstars, Medaillenkandidaten und chancenlosen Teilnehmern aus Ländern der Dritten Welt, das ist für mich letztendlich das Exemplarische an Olympia. Deshalb bewahre ich große Teile meiner Ausrüstung auch noch heute auf, Schuhe, Jackett, Trainingsanzug zum Beispiel.
Ich will aber nicht verhehlen, dass mir ein anderer Austragungsort lieber gewesen wäre. Was ich an Berichten aus Athen oder London gehört habe, da kann man schon ein wenig neidisch werden. In Peking gab es zahlreiche Restriktionen, das Flair sei andernorts stärker gewesen, wurde mir erzählt. Schon die Anordnung der Wettkampfstätten im Hinblick aufs olympische Dorf war unzulänglich gelöst. Wir konnten als Aktive kaum anderen Sportarten zuschauen, weil alles weit auseinander lag und allein die Anfahrten äußerst zeitraubend waren. Da bleibt der sprichwörtliche olympische Geist schnell mal auf der Strecke.