Elfriede Jelinek hat sich ihre Empörung über das Schweigen der Beate Zschäpe von der Seele geschrieben. Die Darsteller brachten das polemische Stück am Sonnabend exzellent auf die Bühne.

Hamburg – Das Schweigen der NSU-Überlebenden Beate Zschäpe ist ihr unerträglich. Und so schreibt Elfriede Jelinek mit ihren gewohnt wortgewaltigen Textflächen in ihrem Stück „Das schweigende Mädchen“ dagegen an. Ein programmatischer Auftakt des diesjährigen Lessingtage-Festivals im Thalia Theater mit dem Schwerpunkt „Aufruhr“.

Zahlreiche Gastspiele werden folgen, doch der Beginn ist bewusst gewählt: ein Aufruhr im eigenen Land. Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele und bald Chef der Ruhrtriennale, macht aus „Das schweigende Mädchen“ eine Mischung aus jüngstem Gericht und Sprach-Oratorium.

Prozessprotokolle, Medienberichte und auch ein paar biblische Motive hat Jelinek zu einer gewohnt scharfzüngigen, polemischen Suada geformt. Das Terroristentrio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe deutet sie zu einer neuen heiligen Erlöserfamilie um. Natürlich eine Provokation. Höchste Konzentration herrscht im Saal.

Die Aufführung ist nicht unanstrengend, wird aber von den durchweg exzellenten, am Bühnenrand vor Notenständern aufgereihten Darstellern, darunter die Ex-Hamburger Wiebke Puls, Thomas Schmauser, Annette Paulmann und Hans Kremer, bei aller Statik fesselnd präsentiert.

Stellvertretend für uns alle empört sich Jelinek über das Ungeheuerliche, die Schlampereien, die Vertuschungen und Ungereimtheiten der Ereignisse. Und das macht sie so gut, dass sich in die Beklemmung sogar so etwas wie Befreiung mischt.

„Um alles in der Welt – Thalia Lessingtage 2015“ bis 8.2., Telefon 32 81 44 44; www.thalia-theater.de