Drei internationale Theatermacher luden im Vorfeld der Hamburger Lessingtage „Um alles in der Welt“ zum Podiumsgespräch ins Thalia. Es geht um Emotionen und Menschen, die ihr Schicksal in die Hand nehmen.
Hamburg. „Aufruhr“ – dieser thematische Schwerpunkt des diesjährigen Festivals „Um alles in der Welt – Thalia Lessingtage 2015" ist den Machern im Laufe eines weltweit schwierigen Jahres regelrecht zugefallen. Die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen in Griechenland, der Bürgerkrieg in der Ukraine sowie weltweite Fluchtbewegungen sind nur einige der Konflikte, denen sich internationale Künstler gewidmet haben.
Vom 24. Januar bis zum 9. Februar geht die sechste Ausgabe des von Joachim Lux und Sandra Küpper kuratierten Festivals über die Bühne. Ein Anlass, um vorab drei internationale Theatermacher zu einem Künstlergespräch zu laden. Und so standen der französische Regisseur und Theaterleiter Pascal Rambert, der algerische Choreograf Abou Lagraa und der ukrainische Regisseur und Festivalmacher Andriy May Rede und Antwort. Rambert erarbeitet derzeit eine Version von „Eine (mikro)ökonomische Weltgeschichte, getanzt“. Das 2010 erstmals aufgeführte Stück, basierend auf Interviews mit Bewohnern der Pariser Vorstadt, hat er rund 14 Mal – von den USA bis Japan – herausgebracht. „Mich hat die Frage beschäftigt, wie man ausgehend von der Immobilienkrise von einem stabilen in einen vollkommen unsicheren Zustand gelangt.“ 40 Laien bringen auf der Bühne eine starke emotionale Komponente mit. „Man sieht Menschen, die ihr Schicksal in die Hand nehmen.“
Erste algerische Tanzkompagnie
Abou Lagraa, in Frankreich aufgewachsener Choreograf mit algerisch-ägyptischen Wurzeln, gründete 2010 die erste algerische Tanzkompanie, naturgemäß eine reine Männertruppe. Sein Tanzstück „El Djoudour“, 2013 entstanden, hinterfragt den Körper im Kontext der muslimischen Kultur mit Männern und Frauen auf der Bühne. Eine Aufführung in Algerien verweigert der amtierende Kulturminister. Die Islamisten werden zurückkehren, so die düstere Prognose des Künstlers. „Wir brauchen Humanisten wie Lagraa, um Brücken zu bauen in diesen angespannten Zeiten“, ergänzt Pascal Rambert.
Andriy Mays auf Interviews vor Ort beruhende „Maidan Tagebücher“ entstanden aus einem Bedürfnis heraus, die Entwicklungen in der Ukraine künstlerisch abzubilden. Die erste Aufführung ging am 10. März in Moskau noch vor der Annexion der Krim über die Bühne. Dort beglückwünschte man das Team, bemängelte aber auch die Auswahl der Befragten. „Für uns handelt der Abend nicht von einer Geschichte des Widerstandes, sondern davon, wie wir zu Menschen werden“, so May. Nur drei Beispiele dafür, wie das Theater einen Beitrag zur Verarbeitung großer Umwälzungen leisten kann.
„Um alles in der Welt – Lessingtage 2015“ 24.1. bis 8.2.2015, Thalia Theater, Karten T. 32 81 44 44