Seit vier Jahren wird um ein Riesenareal in Volksdorf gestritten – und kaum einer spielt mit offenen Karten. Die Präsentation der Pläne vor Ort ging daneben und warf die Genossenschaft weit zurück.
Hamburg. Am Anfang stand der Traum vom bescheidenen Zusammenleben. Vom gemeinsamen Altwerden in einer Wohngemeinschaft (WG), die den studentischen Streitereien um volle Mülleimer und haarige Duschabflüsse entwachsen ist, sagt Ingeborg Markus-Abend. Ein Runddorf sollte es sein, mit Gemeinschaftsräumen, einem Hof und drumherum kleinen Zimmern mit eigener Nasszelle für jeden Bewohner. Behindertengerecht das Ganze und geeignet auch für Demente. Dann fanden sie das Grundstück in Volksdorf und griffen zu.
Als „ökologische Baugenossenschaft Hamburg eG“ kauften Ingeborg Markus-Abend und ihre Mitstreiter 2010 den 50 Hektar großen ehemaligen Ferck’schen Hof an der Straße Buchenkamp. Die U-Bahn und die Stadtgrenze nebenan, eine Knicklandschaft mit Feuchtgebiet erhöhten den Wohlfühlfaktor. Der hoch angesehene Stadtplaner und Architekt Professor Gerhart Laage übernahm die Planung. Dann hob das Projekt ab.
Der Altmeister zeichnete Häusergruppen „bis zum Horizont“. Um die 1000 Wohneinheiten malte er auf die Wiesen. Runddorf an Runddorf sozusagen. Die ökologischen Baugenossen reden heute nicht mehr gern darüber.
Die Genossenschaft will für sich bleiben und keine neuen Mitglieder aufnehmen
Die Präsentation der Pläne vor Ort ging daneben und warf die Genossenschaft weit zurück. Laage-Freund und Altbürgermeister Henning Voscherau (SPD) trat als Moderator auf und traf den falschen Nerv vieler Volksdorfer, die „Ökologie“, „WG“ und „Genossenschaft“ als irreführende Etiketten für Bodenspekulation wahrnahmen und Voscherau als jemanden kannten, der ein ausgewiesen gutes Näschen für Grundstücksgeschäfte hatte. Aus dem Bauernhof Bauland zu machen und die Fläche zu parzellieren, würde den Preis leicht verfünffachen. Die „ökologische Baugenossenschaft“ stieß auf Misstrauen und Ablehnung.
„Man weiß nicht, wer dahintersteht“, hieß es allenthalben. Es werde „gemauert“, kein Außenstehender dürfe Mitglied werden. Die ökologischen Genossen erklärten, dass sie unter sich bleiben und erst Baurecht haben wollen, bevor sie dann gegebenenfalls Grundstücksteile „günstig an Kleingenossenschaften verkaufen“ würden. Was für sie günstig ist, wollten sie nicht erläutern. Auch die Zahl ihrer Mitglieder („unter zehn“) blieb vage. Das reichte den Volksdorfern nicht.
Politik und Verwaltung zogen die schwierige Diskussion an sich und übernahmen das Planungsgeschäft. Die Genossenschaft redete nur noch am Rande mit. Aus ihrem Runddorf wurde erst einmal eine Reihenhaussiedlung mit integriertem Geschosswohnungsbau, alles in konventioneller Weise parallel zur langen Geraden der Straße Buchenkamp angeordnet. 60 Wohneinheiten wurden angedacht.
Die CDU war strikt dagegen und bezweifelte, dass Wohnen unter den freilich etwas weiter entfernten Hochspannungsmasten verträglich sei. Auch würden schützenswerte Knicks zerstört und der Grüngürtel am Ortsrand angeknabbert. Die SPD hielt ihr Schild mit der Wohnungsnot hoch und wollte gern etwas mehr Masse unterbringen auf der doch so schön bahnhofsnahen Fläche. Der grüne Koalitionspartner im Bezirk bremste für die Natur, stellte sich aber letztlich nicht völlig quer. Der Linken waren die Pläne nicht innovativ genug. Sie warfen der Genossenschaft vor, mit Voscherau auf ein falsches, weil unbeliebtes Pferd gesetzt zu haben, und bescheinigten den bezirksamtlichen Stadtplanern für ihre Reihenhäuser „Fantasielosigkeit“. Und dann wurde die „eiszeitliche Rinne“ entdeckt.
Die meisten Politiker mussten erst nachlesen, um den Wert der von Gletschern und Schmelzwasser geformten unterirdischen Geländevertiefung ermessen zu können. Bei der Planung der benachbarten Siedlung am Moorbekring Ende der 1990er-Jahre hatte sie keine Beachtung gefunden. Jetzt wurde ein Gutachter beauftragt. Er ermittelte in einem ersten Zwischenstand, dass die Rinne schonenswert sei, gleichwohl aber 60 Wohneinheiten und eine Dementen-WG mit 60 Einheiten verträglich unterzubringen seien und noch Raum für spätere Erweiterungen entlang der Eulenkrugstraße ließen.
Die CDU reagierte irritiert angesichts der deutlich gewachsenen Baumassen und der außergewöhnlichen Größe der „WG“. Ihr Volksdorfer Bürgerschaftsabgeordneter Thilo Kleibauer sagte, die Bezeichnung sei eine „bewusste Irreführung“ und „fachlich fragwürdig“. Es handele sich um eine normale Pflege-Einrichtung.
Gutachter und Amt wollten jetzt die vorläufigen Pläne und Gebäudeanordnungen der Volksdorfer Öffentlichkeit präsentieren, doch die SPD-Mehrheit im Wandsbeker Planungsausschuss winkte ab. Ihr Sprecher Rainer Schünemann riet davon ab, „Unfertiges“ zu zeigen. Der Gutachter erklärte, dass Kritik und Anregungen in frühen Planungsstadien leichter zu integrieren seien, wurde aber ablehnend beschieden. Die Opposition im Ausschuss, sonst stets bemüht, die SPD in Sachen Bürgerbeteiligung zu überholen, schwieg. Erst Kleibauer bemerkte die Ungereimtheit und warf der rot-grünen Koalition vor, Angst vor den Bürgern zu haben.
SPD und Grüne wollen lediglich 60 Wohneinheiten, die CDU gar keine
Inzwischen ist wieder von 60 Wohneinheiten die Rede. Die Zahl steht im Koalitionsvertrag, und die Grünen möchten, dass er eingehalten wird. Vier Jahre sind vergangen, und die Schlachten bewegen sich noch immer im Vorfeld. Das eigentliche Bebauungsplanverfahren kommt erst noch –, wenn es denn kommt. Im Januar soll das Gutachten fertig werden. Die CDU setzt darauf, dass die vielen Naturschutzbelange und die Hochspannungsleitung über den Dächern von nur 60 Wohneinheiten das Verfahren so kompliziert machen, dass die SPD lieber anderswo mit gleichem Aufwand zwei Bebauungspläne machen lässt. Doch die SPD gibt sich entschlossen. Sie will am Buchenkamp bauen.
„Wir schauen zu und warten“, sagt Ingeborg Markus-Abend. Das Grundstück fresse kein Brot. Die Kita zahle Miete, die Wiesen seien verpachtet. Das decke die Kapitalkosten. Nur um einen Alterswohnsitz wird sie sich vielleicht beizeiten kümmern müssen. Die Genossenschaft sucht wieder ein Grundstück. Ein anderes.