Erleichterung bei den Umweltverbänden, Enttäuschung und Sorgen bei Senat und Wirtschaftsverbänden. Hier die ersten Reaktionen aus Hamburg zur vorerst geplatzten Elbvertiefung.
Hamburg. Parteien, Handelskammer und Verbände haben am Donnerstag unterschiedlich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig reagiert. Während sich die Umweltverbände gestärkt sehen, sorgt sich die Wirtschaft. Hier die ersten Reaktionen auf den Richterspruch aus Leipzig:
Bürgermeister Olaf Scholz
Der Hamburger Senat hat enttäuscht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig reagiert. „Wir hätten uns eine andere Entscheidung erhofft“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Er sei aber weiter optimistisch, dass es eine gute Entscheidung geben werde. Das sei für die Zukunft vieler Städte in Europa sehr wichtig. Städte und die Kulturlandschaft hätten sich entlang der Flüsse ausgebreitet. „Was die Wasserrahmenrichtlinie da sagen wird, das wird auch für viele andere von Bedeutung sein.“
Bundesverband der Deutschen Industrie
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist enttäuscht über die Vertagung des Urteils zur Elbvertiefung. Nach mehr als zehnjähriger Planungsphase müsse eine weitere Hängepartie unbedingt vermieden werden, erklärte der Verband am Donnerstag in Berlin. „Eine Schwächung der Häfen kann sich die Exportnation Deutschland nicht leisten.“
Über den Hamburger Hafen erfolgten rund zwölf Prozent des gesamten deutschen Außenhandels. „Engpässe in der Anbindung der Seehäfen kosten Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland.“ Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte zuvor entschieden, das Verfahren über die Elbvertiefung bis zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Weservertiefung auszusetzen.
ver.di
Mit Enttäuschung hat auch die Fachgruppe Häfen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in Hamburg reagiert:
„Aufgrund des nun zu erwartenden Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof wird die Verunsicherung der Beschäftigten in den Hamburger Hafenbetrieben weiter bestehen und die Sorgen um die Zukunft der Arbeitsplätze nicht abnehmen“, sagt Thomas Mendrzik, Sprecher der Landesfachgruppe Häfen. Letztendlich werden durch diese Hängepartie Investitionsentscheidungen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze weiter verschoben und Chancen vergeben.
„Auch wenn man die Entscheidung des Gerichtes akzeptieren muss, hatten unsere Mitglieder im Hamburger Hafen den Wunsch, dass die jahrelange Hängepartie um die Fahrrinnenanpassung der Elbe noch in diesem Jahr zu Ende ist und es endlich Klarheit gibt“, so Mendrzik weiter.
Umweltverbände
Die Umweltverbände BUND, NABU und WWF sehen sich durch die Entscheidung aus Leipzig weitgehend gestärkt: „Wir begrüßen natürlich, dass das höchste deutsche Gericht viele unserer Kritikpunkte an der Planung bestätigt hat. Auch können wir nachvollziehen, dass die EU-Vorschriften sorgfältig geprüft und vom Europäischen Gerichtshof ausgelegt werden sollen, weil die Entscheidung eine Signalwirkung für viele Flüsse hat“, so die Umweltschützer.
Der federführende Anwalt der klagenden Umweltverbände Rüdiger Nebelsieck sagte: „Auf der Skala von ganz enttäuscht bis sehr begeistert bin ich zu 80 bis 85 Prozent begeistert. Die Planungsbehörden bei der Elbvertiefung haben bei den so genannten Köharenzmaßnahmen zur Verbesserung der Umweltsituation an der Unterelbe Maßnahmen aufgeführt, die sie nach europäischem Recht sowieso hätten umsetzen müssen. Das hat das Gericht klar zurückgewiesen. Das Jahr 2015 wird voraussichtlich für Maßnahmen zur Analyse der Lebensumstände der geschützten Arten verstreichen. Das können die Planungsbehörden ja nicht im Winter machen.“
Auch für Manfred Braasch, Geschäftsführer BUND Hamburg, ist der Beschluss aus Leipzig ein Zwischenerfolg: „Man kann nicht Maßnahmen zur Standortsicherung, die sowieso nötig sind, als Ausgleichsmaßnahmen in das Planverfahren aufnehmen. Das sieht das Gericht ebenso wie wir, die klangenden Verbände.“
Handelskammer Hamburg
Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg, sagte: „Die Hamburger Wirtschaft begrüßt, dass das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich den Bestand der Planfeststellungsbeschlüsse bestätigt hat, bedauert aber die weitere zeitliche Verzögerung durch die notwendige Beseitigung von Mängeln und das Warten auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Weser-Verfahren. Es geht voran, aber leider langsamer als erwartet – und dies nach einem bereits zwölfjährigen Verfahren. Die wirtschaftliche Notwendigkeit des wichtigsten Infrastrukturprojektes für Wirtschaft und Arbeit in der Metropolregion Hamburg ist unbestritten, die Planung wurde vor über einem Jahr durch einen Fachbeitrag zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie ergänzt. Ich hoffe, dass die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Weser-Verfahren genutzt werden kann, um in dieser Zeit die erforderliche Nachbesserung des Planfeststellungsbeschlusses vorzunehmen.“
CDU
Dietrich Wersich, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Schwerwiegende Mängel in dem von Olaf Scholz verantworteten Planungszeitraum führen jetzt zum Stopp der Elbvertiefung. Das ist ein Desaster für den Hamburger Hafen und unsere ganze Wirtschaft. In einer der wichtigsten Fragen unserer Stadt und seiner Amtszeit als Bürgermeister hat Olaf Scholz sein Versprechen vom ordentlichen Regieren nicht einlösen können.
Es war ein schwerer Fehler, dass der Hamburger Senat offenbar die Gerichtsentscheidung zur Weservertiefung vom 11. Juli 2013 nicht ernst genug genommen hat. Vollmundige Ankündigungen zum schnellen Start der Elbvertiefung und die hochmütige Kritik von Scholz gegenüber den Vorgängersenaten entbehren dagegen jeder Grundlage und wenden sich jetzt gegen ihn.“
Die Linke
Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die Entscheidung zeigt, dass auch beim Bundesverwaltungsgericht schwerwiegende Bedenken bezüglich der Elbvertiefung bestehen. Das ist das eine heftige Kritik an der Planfeststellungsbehörde. Der Senat hat das europäische Wasserrecht nicht ausreichend berücksichtigt. Aber das ist kein ‚Hafenuntergang‘. Auch die größten Containerschiffe können Hamburg gegenwärtig anlaufen. Allerdings zeigt sich die zunehmende Notwendigkeit der Hafenkooperation. Denn auch nach einer möglichen Elbvertiefung werden die größten Schiffe den Hamburger Hafen nur mit Einschränkungen erreichen können.
Wir sind gegen eine weitere Elbvertiefung weil sie weitreichende ökologische Folgen hat, mit sehr hohen Kosten verbunden ist und für Hamburgs Hafen keine dauerhafte Lösung darstellt, sondern die mit der geografischen Lage verbunden Probleme nur in die Zukunft verschiebt. Die Elbe kann nicht beliebig für alle kommenden Schiffsgrößen ausgebaggert werden. Hamburgs Hafen sollte sich deshalb auf seine Stärken besinnen und schon jetzt an zukunftsfesten Lösungen im Rahmen einer Hafenkooperation arbeiten. Der Konkurrenzkampf Hafen gegen Hafen ist nicht mehr zeitgemäß.“