Nach der Beitragsfreiheit für die Eltern werden nun Verbesserungen für die Mitarbeiter gefordert. Kita-Leitungen, Pädagogen und Eltern, haben sich dazu zu einem Bündnis für mehr Personal zusammengeschlossen.

Hamburg. Mal ist die eine Erzieherin an Magen-Darm-Grippe erkrankt, die andere fällt wegen einer Lungenentzündung länger aus. Eltern von Kita-Kindern kennen das. Aber irgendwie bekommen die Erzieher die Betreuung der Kinder gestemmt. Nun sei jedoch das „Ende der Fahnenstange“ erreicht, sagt Jens Kastner von der Bildungsgewerkschaft GEW. Die Erzieher beuteten sich selbst aus, um für die Kinder da zu sein. Kita-Leitungen, Pädagogen und Eltern, die sich zum Bündnis KITA-Netzwerk Hamburg für mehr Personal in der Kinderbetreuung zusammengeschlossen haben, kündigen Protestaktionen an.

In dem Brief an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) appellieren sie, mehr Personal in den 1088 Kitas zu finanzieren. Darin heißt es: „Wir können und wollen nicht mehr stillhalten und schweigen. Wir wollen nicht mehr tatenlos dabei zusehen, wie noch mehr pädagogische Fachkräfte bis zum Rande der Erschöpfung arbeiten.“ Es fehlten bis zu 4000 Erzieher.

Die Rahmenbedingungen in Hamburgs Kitas seien vor allem in der Kleinkindbetreuung inakzeptabel. Aktuell gilt laut Hamburger Richtlinien eine Fachkraft-Kind-Relation im Krippenbereich (0-3 Jahre) von 1:7,6 und im Elementarbereich (3-6 Jahre) von 1:12,5. Das bedeutet, dass in Hamburger Kitas eine ausgebildete Fachkraft höchstens 7,6 Krippenkinder beziehungsweise 12,5 Elementarkinder betreuen darf. Bei diesen theoretischen Werten sind laut KITA-Netzwerk Urlaub, Krankheit, Fortbildung und längere Randbetreuungszeiten nicht berücksichtigt.

Daraus folge, dass in Urlaubszeiten oder bei Krankheit eine Fachkraft mehr Kinder betreuen muss. Derzeit sei eine Erzieherin für durchschnittlich sechs Kinder zuständig. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das zwar für eine Betreuung ausreichend, nicht aber, um einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Dafür sollte sich eine pädagogische Fachkraft um höchstens drei Krippenkinder kümmern.

„Die Hamburger Kitas haben in den letzten Jahren das System mit viel Engagement stabilisiert. Wir nehmen wahr, dass das nicht mehr gelingt. Steigende Anforderungen, Arbeitsüberlastung und hohe Krankenstände lassen die Leitungen verzweifeln“, sagt Martin Peters, Referent für Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Wo die zusätzlichen Erzieher herkommen sollen? „60 Prozent der Erzieher sind Teilzeitkräfte, eine höhere Stundenzahl lässt sich ganz einfach vereinbaren“, so Jens Kastner.

Zeit für Elterngespräche und Berichte nehmen sich Erzieher in ihren Pausen

„Wir leisten Bildungsarbeit, haben aber keine Zeit, uns auf diese Arbeit vorzubereiten. Kein Lehrer würde unvorbereitet in den Unterricht gehen“, sagt Malika Boukhedcha, Leiterin der Kita Deelbögekamp. Von der Behörde finanziert werde lediglich die pädagogische Arbeit direkt am Kind, notwendige Arbeiten, wie Elterngespräche, Zeit für Beobachtung und Dokumentation oder Entwicklungsgespräche leisteten die Erzieher in ihrer Freizeit. „Wir schaufeln uns diese Zeiten frei“, sagt Frau Boukhedcha. Die Folge dieser Überbelastung seien Erschöpfungskrankheiten ihrer Mitarbeiter.

In dem Brief an den Bürgermeister, den das Bündnis in der Kinderbetreuung am Donnerstag, 2. Oktober, überreichen wollen, heißt es auch: „Sie wollten Hamburg zur eltern- und kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands machen. Hinter der schönen Fassade bröckelt es allerdings gewaltig.“ Nach dem Ausbau der Krippen- und Kitaplätze und der Entlastung für Eltern durch die Beitragsfreiheit sei es nun an der Zeit, in die Qualitätsentwicklung der Kitas zu investieren. Dazu gehören unter anderem eine Doppelbesetzung in den Krippen-Gruppen.

Auf wenig Verständnis stoßen die Pädagogen bei der zuständigen Familienbehörde: „Wie auch in den vergangenen Jahren werden die Kita-Träger erneut mehr Geld in 2015 erhalten. Kein anderer Bereich der Familienbehörde erhält so viel Geld wie der Kita-Bereich. Auf Maximalforderungen können wir nicht eingehen“, sagt Sprecher Marcel Schweitzer. So seien die Ausgaben für die Kindertagesbetreuung gestiegen. Von 240 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 560 Millionen in diesem Jahr und auf 685 Millionen Euro bis 2016. Seit Beginn des Krippenausbauprogramms 2008 hat sich die Zahl betreuten unter Dreijährigen um 10.900 erhöht und damit verdoppelt.

Unter dem Motto „Ohne 25% mehr gehen Hamburger Kitas unter!“ ruft das Netzwerk am Donnerstag, 30. Oktober, ab 16.30 Uhr zur Demonstration auf.