SPD löst Wahlversprechen ein: Fünf Stunden Betreuung kosten selbst Besserverdienende nichts mehr. Auch Familien mit Geschwisterkindern erwarten Einsparungen. Dennoch Kritik der Opposition.
Hamburg. In den zurückliegenden Wochen haben alle Hamburger Eltern, die ihre Kinder in Kitas betreuen lassen, Post erhalten. Einen Brief der Sozialbehörde mit der Botschaft: Von August an sind fünf Stunden Kita-Betreuung kostenlos. Nur wer länger in den Kindergarten geht, muss draufzahlen. „Der neu zu zahlende Betrag wird dann automatisch angeglichen“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer. Diese Angleichung ist weiterhin nach Einkommensklassen und Betreuungsstunden gestaffelt.
Höchstbeitragszahler, die ihr Kind mindestens fünf Stunden am Tag betreuen lassen, werden um 192 Euro im Monat entlastet. Sie haben im Jahr 2304 Euro mehr in der Familienkasse. Laut Berechnungen der Sozialbehörde trifft das auf das Gros der Familien zu, nämlich 44 Prozent. Mindestbeitragszahler werden um 27 Euro im Monat entlastet. Sie haben am Ende des Jahres ein Plus von 327 Euro. Davon profitieren 34 Prozent der Familien. Und 22 Prozent der Beitragszahler befinden sich je nach Einkommen und Betreuung zwischen diesen beiden Summen. Der Höchstanteil, den gut verdienende Eltern in Hamburg zahlen, sinkt von 396 auf 204 Euro im Monat. Der monatliche Höchstsatz von gering verdienenden Eltern sinkt von 43 auf 16 Euro.
Grundsätzlich gilt: Wer sein Kind täglich bis zu fünf Stunden betreuen lässt, zahlt keine Gebühren mehr. Wie viele Familien das sein werden, lässt sich laut Sozialbehörde noch nicht sagen. Franziska Larrá, Geschäftsführerin der Elbkinder-Kitas, dem mit 176 Einrichtungen und 22.000 betreuten Kindern größten Kita-Träger in Deutschland, erwartet ein wachsendes Interesse an Plätzen. „Wir vermuten auch, dass sich die Nachfrage nach Fünfstundenplätzen erhöht. Das aber nur leicht.“
In vielen Fällen sind es aber mehr als fünf Stunden am Tag. So etwa bei Alleinerziehenden. Eine alleinerziehende Mutter mit einem geringen Nettoeinkommen von bis zu 1074 Euro zahlte bislang 31 Euro im Monat für eine sechsstündige Betreuung an fünf Tagen dazu. Künftig reduziert sich der Betrag auf 4 Euro, weil ihr bisheriger Anteil für die fünfstündige Betreuung (27 Euro) von der Stadt übernommen wird. Eine alleinerziehende Mutter mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mindestens 2965 Euro zahlt für die sechsstündige Betreuung ihres Kindes nicht mehr 307 Euro im Monat, sondern nur noch 115 Euro. Für sie fällt der Anteil in Höhe von 192 Euro für die fünfstündige Betreuung weg.
Auch Familien mit Geschwisterkindern erwarten zum Teil hohe Einsparungen. Das Beispiel: Eine Familie mit einem Nettoeinkommen von 2750 Euro und Kindern im Alter von 18 Monaten und vier Jahren, die pro Tag acht Stunden betreut werden, zahlt bislang im Jahr Kita-Gebühren in Höhe von 4308 Euro. Künftig sind es dann nur noch 1236 Euro – ein Minus von 3072 Euro im Jahr.
Der Elternanteil an den Gesamtkosten verringert sich um mehr als die Hälfte. Rund 1060 Euro erhält eine Kita etwa für einen Krippenplatz im Monat. Der Elternbeitrag beläuft sich künftig auf durchschnittlich 85 Euro. Davor waren es gut 205 Euro. Den Rest, also 975 Euro, zahlt die Stadt. „Die Kinderbetreuungskosten machen bisher oftmals einen großen Teil des Familieneinkommens aus“, sagt SPD-Familienpolitikerin Melanie Leonhard, „mit der Beitragsfreiheit werden Hamburgs Familien spürbar entlastet.“
Diese finanziellen Entlastungen seien grundsätzlich wünschenswert, sagt Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU. „Die Kehrseite der Beitragsfreistellung ist aber, dass sie aufgrund der finanziellen Restriktionen durch die Schuldenbremse in Hamburg auf Jahre hin jegliche qualitative Verbesserungen der Kinderbetreuung verhindern wird.“ Er verweist auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach sich in Krippen ein Betreuer um durchschnittlich 5,2 Kinder kümmert. Damit weist Hamburg den schlechtesten Wert in Westdeutschland auf. Ideal sei laut Stiftung ein Verhältnis von eins zu drei.
Kritik von der CDU
Laut Sozialbehörde liegt das größte Hindernis auf dem Weg zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels beim Engpass auf dem Fachkräftemarkt für Erzieher. „Deshalb widmen wir uns heute der Verbesserung der Ausbildung von Fachkräften, um den Fachkräftebedarf auch morgen decken zu können“, beteuert Senator Detlef Scheele. „Das Argument, der Senat tue nichts für eine Qualitätssteigerung in Hamburger Kitas, stimmt nicht.“ Scheele verweist etwa auf das Programm „Kita-Plus“ mit 280 zusätzlichen Stellen in sozial belasteten Stadtteilen. „Im Übrigen stimmen die Eltern in Hamburg dank des Gutscheinsystems mit den Füßen über die Qualität in Kitas ab. Ein besseres Barometer ist dem Grunde nach nicht denkbar und befördert den Qualitätswettbewerb unter den Kitas“, so der Sozialsenator weiter.
Der CDU-Politiker de Vries kritisiert weiter, dass eine finanzielle Beteiligung von Eltern mit gutem Einkommen wegfällt. „Wir halten es prinzipiell für richtig, dass dem hohen Wert und Nutzen der Kita-Betreuung auch eine angemessene Eigenbeteiligung der Eltern gegenübersteht. Es gibt viele gut verdienende Eltern, die es sich nicht nur leisten können, sondern auch bereit sind, angemessene Beiträge für eine gute Betreuung ihrer Kinder zu zahlen.“ De Vries sagt weiter, dass im Vergleich mit anderen Großstädten in Deutschland Hamburgs „normal verdienende“ Eltern im bisherigen Beitragssystem sehr hohe Kita-Gebühren und Geringverdiener sehr niedrige Gebühren zahlten. „Es ist kein Ausweis politischer Güte, ein dummes Wahlversprechen auch in die Tat umzusetzen.“
Die Eigenbeteiligung lehnt die Sozialbehörde kategorisch ab. „Mit dieser Politik ist der Vorgängersenat bei den Hamburger Familien durchgefallen“, sagt Behördensprecher Schweitzer. „Deshalb haben wir die Beiträge gesenkt. Die Beitragserhöhung hat nämlich die Mitte der Gesellschaft getroffen. Und genau das wollen wir nicht.“