Erste Hauswächter hüten unbefristet Immobilien. Dafür leben sie dort zum Spottpreis. „Bewachung durch Bewohnung“ heißt das Konzept. Insgesamt rund 10.000 Hauswächter in 4000 Immobilien.

Hamburg. Student Christopher Gardel, 25, darf in dem Haus, das er mit drei weiteren jungen Männern teilt, vieles nicht. Er darf weder Partys feiern noch eine Kerze anzünden. Gäste, die länger als eine Nacht bleiben wollen, müssen angemeldet werden. Untersagt ist es auch, einen Nagel in die Wand zu schlagen.

Doch Dualstudent Christopher Gardel, der für einen Airbus-Zulieferer arbeitet, nimmt das alles klaglos in Kauf. Denn er zahlt für den Wohnkomfort an der Friedensallee am ehemaligen Kolbenschmidt-Gelände gerade mal 184 Euro pro Monat. Nebenkosten inklusive. „Nur das Internet müssen wir selbst bezahlen“, sagt Gardel.

Dafür wird ihm und seinen Mitbewohnern mitten in der Stadt ein gehobenes Ambiente geboten. 260 Quadratmeter Wohnfläche, gut drei Meter hohe Räume, mehrere Bäder und Toiletten. Sogar ein eigener, kaum einsehbarer Garten, in dem Rosen dem Herbst entgegenwachsen. Seit einem Jahr ist Christopher Gardel Hauswächter in dieser millionenschweren Immobilie. Der Student für Verbundwerkstoffe arbeitet mit dem niederländischen Unternehmen Camelot zusammen. Es ist auf Leerstandsmanagement spezialisiert und bereits in sechs europäischen Ländern präsent. Inzwischen gibt es auch in der Hansestadt eine Niederlassung.

„Bewachung durch Bewohnung“ heißt das Konzept der Firma, die insgesamt rund 10.000 Hauswächter in 4000 Immobilien einsetzt. Darunter befinden sich private Objekte wie an der Friedensallee, aber auch Fabriken, ehemalige Kasernen und Kliniken sowie Gutshäuser. Der Vorteil für die Eigentümer und Auftraggeber liegt auf der Hand: Die Hauswächter bewachen durch bloße Anwesenheit das Objekt und kümmern sich darum, dass alles in Schuss bleibt. Notwendige Reparaturen werden umgehend gemeldet. Auf diese Weise, verspricht Camelot, verliert die Immobilie nicht an Wert. Die Energiekosten sowie weitere Ausgaben für die Bewohnbarkeit trägt der Eigentümer, sagt die Hamburger Camelot-Mitarbeiterin Leonie Northmann. Das Unternehmen selbst stellt dem Auftraggeber eine geringe Gebühr in Rechnung. Und die 184 Euro von Hauswächter Gardel kassiert Camelot.

„Für mich“, sagt der Hamburger Hauswächter, „ist das keine Arbeit, sondern Wohnen.“ Erst lebte er als Hauswächter drei Monate auf dem Gelände einer alten Chemiefabrik in Ottensen. Dort musste er auf dem 1500 Quadratmeter großen Gelände regelmäßig Rundgänge unternehmen und die leeren Tanks kontrollieren. Seit zwölf Monaten ist die Gründerzeitvilla an der Friedensallee sein Zuhause auf Zeit. Wo sich früher eine Versicherung und eine Bar befanden, wohnen jetzt Studenten und Bankmitarbeiter zum Spottpreis. Weil Gardel als Erster einzog, konnte er sich sein künftiges Reich aussuchen. Er wählte ein ruhiges, zum Garten gelegenes Zimmer im Obergeschoss. Gleich daneben: Dusche und Toilette. Einmal im Monat suchen Camelot-Mitarbeiter die Objekte auf und kontrollieren die strengen Standards der Bewachung. An der Wand hängt ein Plakat mit dem Regelwerk. Dazu gehören: „Rauchen ist strengstens verboten. Schließen Sie immer alle Türen und Fenster, wenn Sie das Gebäude verlassen.“ Und: Müll sollte täglich entsorgt werden.

Während in Berlin und Süddeutschland das Geschäft von Camelot floriert, hat das Unternehmen in Hamburg offenbar Schwierigkeiten, interessierte Eigentümer zu finden. In Berlin wurden unlängst sogar 110 Hauswächter eingesetzt, um sieben leer stehende Gebäude einer ehemaligen Kinderklinik zu bewachen. Die Hanseaten dagegen seien zunächst eher skeptisch, sagt Leonie Northmann. „Offenbar denken sie bei Hauswächtern an die Rote Flora und die Hausbesetzerszene. Dabei halten wir uns an Recht und Gesetze. Wir machen legale Hausbesetzung.“

Wer Hauswächter werden will, muss sich verschiedenen Fragen stellen und mindestens 18 Jahre alt sein. Das Durchschnittsalter der Aufpasser liegt zwischen 25 und 35 Jahren. Frauen und Männer sind zu jeweils 50 Prozent vertreten. Gegenwärtig sucht die Hauswächterfirma junge Leute, die bereit sind, für einige Zeit im Gut Hohehorst bei Bremen zu leben. Das Herrenhaus umfasst 107 Zimmer und zwölf Bäder. Inzwischen liegen bereits 30 Bewerbungen vor.

Die Kündigungszeit für Hauswächter beträgt gerade mal vier Wochen

Wie lange Christopher Gardel noch das Haus aus der Gründerzeit nutzen kann, weiß er nicht. Sollte es kurzfristig wie geplant abgerissen werden, muss er seine Koffer packen und ausziehen. Die Kündigungszeit beträgt gerade mal vier Wochen. „Man muss als Hauswächter schon sehr flexibel sein und von Gebäude zu Gebäude springen“, sagt er. Sollte sich dann kein geeignetes Hauswächterobjekt in Hamburg finden, muss sich der Student wie alle anderen auch auf Wohnungssuche begeben. Oder wieder vorübergehend bei seinen Eltern in Bremerhaven einziehen.