Hohe Lebenshaltungskosten zwingen zur Aufnahme von Krediten. Mediziner machen besonders viele Schulden. Die Verbraucherzentrale schätzt, dass derzeit rund 25.000 Studenten verschuldet sind.
Neustadt. Teure Mieten, kein Nebenjob und Examensdruck – Studierende in Hamburg müssen aus Geldnot immer häufiger Kredite abschließen. Die Verbraucherzentrale schätzt, dass derzeit rund 25.000 Studenten verschuldet sind – ein Drittel der 75.000 Studierenden in der Hansestadt.
Diese Schätzung fasst die Bezieher von BAföG – die Hälfte der Summe muss als Darlehen zurückgezahlt werden – und die verschiedenen Studentenkredite zusammen. „Eine bemerkenswerte Zahl“, kommentiert Günter Hörmann, Vorstand der Verbraucherzentrale, diese Daten. Allein die Haspa stellte im vergangenen Jahr 1200 Studentenkredite mit einer durchschnittlichen Höhe von 30.000 Euro bereit. Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) haben rund 3000 Hamburger Studenten ein Darlehen von durchschnittlich 360 Euro pro Monat zurückzuzahlen.
Den größten Schuldenberg häufen die Mediziner an. Sie stehen, so das Marktforschungsinstitut promio, nach ihrem Examen im Schnitt mit 16.666 Euro bei den Banken in der Kreide. Allerdings verfügen die angehenden Ärzte im Vergleich zu den Geisteswissenschaftlern (Schulden: 9918 Euro) über weitaus bessere Chancen, den Schuldenberg zügig abzubauen.
Meist rechnen die Studierenden mit einer Tilgungsdauer von mehr als vier Jahren. Viele werden jedoch länger brauchen – und landen schlimmstenfalls in der Schuldenfalle, sollten sie nach dem Studium nicht gleich einen Job finden.
Hohe Mieten und Lebenshaltungskosten in der Hansestadt sind ein Grund dafür, dass Studierende auf die Angebote von Kreditinstituten zugreifen müssen. Wie aus der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes hervorgeht, zählt Hamburg zu den teuersten Universitätsstandorten in Deutschland. In der bundesweiten Rangfolge der Hochschulstädte bei der „Höhe der monatlichen Ausgaben für Miete und Nebenkosten“ landet Hamburg immerhin auf Platz 3 (353 Euro) nach Köln (359 Euro) und München (358 Euro). Gut 200 Euro benötigen die Studenten pro Monat für Ernährung und rund 110 Euro für den eigenen Pkw. Rund 72 Prozent der Hamburger Studenten müssen neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen – bundesweit Platz 5.
Weil Hamburg ein teures Pflaster ist, hat Jonathan Pokall, 19, jetzt vorsorglich das Studierendenwerk in der Grindelallee kontaktiert. Pokall studiert Internationales Management an der HAW und will deshalb von Bremen nach Hamburg ziehen. „Ich brauche dringend einen Überbrückungskredit, bis ich hier einen Nebenjob gefunden habe“, sagt der Student, der kein BAföG erhält. 300 Euro pro Monat, zwei bis drei Semester lang gezahlt, würden ihm schon weiterhelfen. Von den Experten des Studierendenwerks bekam er eine Liste mit möglichen Angeboten, die er nun prüfen will.
Besonders nachgefragt sind bei den Studenten die Angebote der KfW. Wie es beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) heißt, entfällt die Hälfte der jährlich 50.000 Studienkredit-Verträge in Deutschland auf diese Bank.
Das Darlehen mit maximal 650 Euro pro Monat finanziert auch Zweitstudiengänge, Weiterbildung und Promotionsvorhaben. „Studienkredite“, sagt Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des Studierendenwerks Hamburg, „eignen sich zum Beispiel als Finanzierungsbaustein gerade in der Examensphase, wenn andere Finanzierungsquellen den Bedarf nicht decken und keine Zeit für Nebenjobs bleibt.“
Chemie-Studentin Galina, alleinerziehende Mutter, hat bei der Haspa einen Kredit von monatlich 450 Euro aufgenommen – drei Semester lang. Das Geld braucht die 32 Jahre alte Mutter einer Tochter dringend. Nach 16 Semestern will sie endlich das Studium abschließen, ohne nebenher noch mehr jobben zu müssen. Angesichts steigender Nachfrage hatte die Haspa den Studentenkredit bereits im Jahr 2005 eingeführt. „Er gewährleistet eine finanziell unbeschwerte Studienzeit“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.
Nach Ansicht von Hjördis Christiansen, Leiterin der Kredit- und Schuldenberatung bei der Verbraucherzentrale, sollten sich die Studenten vor Unterzeichnung eines Kreditvertrages von Verbraucherschützern beraten lassen. Denn häufig sei die Kreditsumme zu hoch angesetzt. „Außerdem schließen die Studenten Versicherungen ab, die nicht erforderlich sind.“ Die Beratung bei der Verbraucherzentrale kostet für Studenten 22 Euro.
Dass eine wachsende Zahl von Studenten auf Pump leben muss, stößt bei Hamburger Oppositionspolitikern auf Kritik. „Wir brauchen schleunigst mehr günstigen Wohnraum für Studierende“, fordert etwa Eva Gümbel, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft. Und Dora Heyenn, hochschulpolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion, sagt: „Das Hochschulstudium darf nicht zur Schuldenfalle für junge Menschen werden.“