Die Gruppe „Baltic Raw“ schafft für das Sommerfestival auf Kampnagel eine Replik der Roten Flora. Anschließend wollen die Künstler ihren Bau zum Winterquartier für Flüchtlinge umgestalten.

Winterhude. Das Grundgerüst ist schon zu sehen, helle Holzbalken stehen bereit, darüber ist eine provisorische Plane gespannt. Die Künstlergruppe Baltic Raw arbeitet auf dem Hof der Theaterfabrik Kampnagel an einem besonderen Projekt: einer Nachbildung der besetzten Roten Flora aus dem Schanzenviertel. Zunächst ist der 100 Quadratmeter umfassende Holzbau nur als provisorische Spielstätte für das Sommerfestival im August geplant - doch die Gruppe hat weitaus größere Ideen für ihr Kunstwerk.

Nach einem Umbau soll die „zweite“ Rote Flora zur Winterherberge für einige Mitglieder der sogenannten Lampedusa-Gruppe werden. „Ich halte es für realistisch, dass Flüchtlinge bereits in diesem Winter einen Unterschlupf finden“, sagt die Leiterin der Gruppe, Móka Farkas. Über eine Crowdfunding-Plattform sammelt Baltic Raw Spenden, um den Umbau in eine „ökologische Favela“ zu finanzieren. „Wir haben zunächst 10.000 Euro für die Umwandlung veranschlagt, nach unserer Planung könnten die Arbeiten am 15. September beginnen und im Oktober fertiggestellt sein“, sagte Farkas.

Die Pläne sehen vor, die Holzfassade des zehn Mal zehn Meter großen Gebäudes in der späteren Nutzung beizubehalten. In seinen Proportionen soll der Bau dem besetzten Kulturzentrum im Schanzenviertel nachempfunden sein. Nach Ende des Sommerfestivals plant Baltic Raw, die Wände mit 50 Zentimeter dickem Dämmstoffen zu verkleiden, sowie Kompost-Toiletten und Möglichkeiten zur biologischen Stromherstellung zu schaffen. „Neben der kulturpolitischen Komponente soll der Bau aufzeigen, wie ein hoher Energie-Standard und ökologische Selbstbestimmung mit einfachen Mitteln umgesetzt werden kann“, so Farkas.

Die Leitung des Kulturzentrums Kampnagel wurde vorab über die Pläne informiert. „In erster Linie ist dieses Vorhaben ein temporäres Kunstprojekt für das Internationale Kulturfestival vom 6. bis zum 24. August. Wir haben die Hamburger Künstlergruppe wie in den vergangenen Jahren für die Dauer des Sommerfestivals beauftragt, den Garten des Geländes zu gestalten“, sagte die Sprecherin Mareike Holfeld.

Die Intendantin Amelie Deuflhard habe die Idee der Gruppe für eine Nachnutzung „interessiert wahrgenommen“, Kampnagel wartet zunächst die Resonanz auf den Spendenaufruf ab. “In der Vergangenheit wurden die Kunstwerke nach Ende des Festivals stets wieder abgebaut, eine Nachnutzung kam trotz entsprechender Ideen nicht zustande“, sagte Holfeld.

Beim letztjährigen Sommerfestival auf Kampnagel hatte Baltic Raw bereits eine Nachbildung der Elbphilharmonie im Garten des Kulturparks errichtet. “Wir widmen uns in unserer Gestaltung immer den kulturpolitischen Themen, die jeweils am meisten Aufregung und Diskussion provoziert haben“, sagt die Künstlerin Móka Farkas. „Dies war im abgelaufenen Jahr eindeutig die Rote Flora mitsamt der verbundenen Flüchtlingsproblematik“.

In den kommenden Wochen will die Künstlergruppe sich an die Verwaltung wenden, um etwaige Bedenken gegen ihr Projekt zu entkräften. „Unsere Sorge ist, dass einige Menschen unser Werk mit Beginn der Umbauten nicht mehr als Kunst, sondern ein normales Wohnhaus wahrnehmen“.

Nach Angaben des Bezirksamtes Nord müssten die Künstler zunächst an das Bauamt herantreten, „dann können wir beratend wirken“, so eine Sprecherin. Vor dem Beginn des Umbaus sei die Frage zu klären, ob es baurechtlicher Genehmigungen bedürfe.