Die Standards in den Hamburger Gemeinschaftsunterkünften sind gesunken. Offenbar ist in den großen Gemeinschaftsunterkünften ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht mehr gewährleistet.
Hamburg. Die Debatte über die öffentliche Unterbringung von Flüchtlingen geht in eine neue Runde. Nach der scharfen Kritik von Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, an der langfristigen Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften äußerten jetzt auch Vertreter der Hamburger Grünen und der Diakonie Bedenken.
Die von der Freien Wohlfahrtspflege formulierten Standards würden in Hamburg schon länger nicht mehr eingehalten, sagte Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung beim Diakonischen Werk Hamburg, dem Abendblatt.
„Wir können angesichts der schwierigen Unterbringungssituation zwar verstehen, dass vorübergehend Standardeinschränkungen nötig sein können. Das darf aber kein Dauerzustand sein“, so Hauer.
Offenbar ist in den großen Gemeinschaftsunterkünften ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht mehr gewährleistet. Deshalb sollte nach Ansicht der Bürgerschaftsabgeordneten Antje Möller, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, die öffentliche Unterbringung in möglichst kleinen, dezentralen Einrichtungen erfolgen. „Häuser mit mehr als 100 Plätzen passen sich nur schwer in Nachbarschaften ein und erschweren die Integration sowie das Zusammenleben in den Quartieren.“ Zudem verfügten die Einrichtungen über einen sehr unterschiedlichen Standard. Nach Senatsangaben waren am Stichtag 14. Mai 2014 rund 9700 Menschen in Wohnunterkünften von Fördern & Wohnen untergebracht, darunter 5100 nicht wohnberechtigte Zuwanderer. Die Situation sei zwar schwierig, aber nicht so dramatisch wie Anfang der 1990er-Jahre, sagt Diakonie-Sprecher Steffen Becker. „Zudem ist die Unterstützungsbereitschaft der Hamburger riesig.“
Allerdings gibt es nach Informationen der Grünen eine gut vierstellige Zahl von Flüchtlingen, die über viele Jahre in der öffentlichen Unterbringung wohnen. Darüber hinaus leben rund 3000 Personen über viele Jahre hinweg lediglich mit einer Duldung in einer solchen Einrichtung — und deshalb ohne Berechtigung, eine eigene Wohnung zu suchen. „Aus unserer Sicht kann und sollte die öffentliche Unterbringung nur eine Übergangsmaßnahme sein“, betonte die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Möller.
Das Problem der Unterbringung ist nach Ansicht der Diakonie auch deshalb so groß, weil die Wohnungsunternehmen wie die Saga viel zu wenig dafür getan hätten, dass Menschen aus der öffentlichen Unterbringung in normale Wohnungen ziehen können. Die Diakonie fordert bereits seit längerer Zeit, dass die Wohnungswirtschaft ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Neuvermietung an Wohnungslose aus der öffentlichen Unterbringung nachkommt. Vor allem, sagte Diakonie-Abteilungsleiter Hauer, müssen Mindeststandards auf diesem Gebiet eingehalten werden. „Dazu zählen Privatsphäre, abgeschlossene Wohnungen, familiengerechte Unterbringung, kleine dezentrale Einheiten sowie soziale Betreuung.“
Kardinal Marx hatte gefordert, dass der Staat für eine menschenwürdige Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sorgen müsse.