In einem dramatischen Appell macht Sozialsenator Scheele die deprimierende Situation der Flüchtlinge und den Platzmangel in der Stadt deutlich. Auch Hotels und Wohnschiffe wären als Unterkunft denkbar.
Hamburg. Es ist ein Alarmruf mit ungewohnt deutlichen Tönen, der auch in Berlin gehört werden soll. „Wir haben keine Plätze. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, fest angelehnt“, sagt Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), verantwortlich für die Unterbringung von Flüchtlingen im Anschluss an die Erstaufnahme.
Wie in anderen deutschen Großstädten auch ist die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge im Laufe der vergangenen Monate stark angestiegen. „Uns fehlen für dieses Jahr 4000 zusätzliche Plätze“, sagte Scheele im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Bei 2400 Plätzen sei bereits klar, wo sie entstehen sollen. „Bei 1600 Plätzen wissen wir noch nicht einmal, wo wir sie bauen können“, so Scheele.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet für Deutschland mit einer Steigerung der Flüchtlingszahlen um rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr, als 127.000 Frauen, Männer und Kinder kamen. In Hamburg leben zur Zeit rund 10.000 Flüchtlinge in öffentlichen Unterkünften. Die Krisenherde in Syrien, im Irak, in Eritrea oder im Süd-Sudan werden vermutlich noch für längere Zeit für Flüchtlingswellen sorgen. „Und den Menschen muss man helfen“, betonte Scheele.
Acht Mitarbeiter der Sozialbehörde sind damit beschäftigt, in Absprache mit den Bezirken geeignete Flächen für den Bau von Pavillon- und Containerdörfern zu finden. In einigen Fällen – wie an der Sophienterrasse in Harvestehude – plant die Behörde aber auch die Unterbringung von Flüchtlingen in festen Gebäuden. Weil der Flächenvorrat in der hoch verdichteten Stadt begrenzt ist, hat Scheele bereits zu Beginn des Jahres die Hamburg Port Authority (HPA) gebeten, nach Wohnschiffen und geeigneten Liegeflächen im Hafen zu suchen. Eine Antwort steht noch aus.
Bereits vor 20 Jahren waren Wohnschiffe für Flüchtlinge vor Neumühlen vertäut. „Mir ist es egal, ob hundert Plätze in einem Containerdorf geschaffen werden oder auf einem Schiff. Hauptsache, wir bekommen genügend Plätze", sagte Scheele. „Aber es ist nicht unser vordringliches Ziel, Wohnschiffe anzumieten“, ergänzte der Senator gegenüber dem Abendblatt. Selbst die umstrittene und besonders teure Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels ist angesichts der bevorstehenden Kapazitätsengpässe nicht ausgeschlossen. „Im Moment ist die Lage noch nicht so dramatisch, dass wir auf Angebote von Hoteliers eingehen müssen“, so Scheele. Bislang sind nur 240 Plätze für wohnungslose, hier dauerhaft lebende Familien in Hotels angemietet.
„Unsere Priorität ist es, bessere Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen“, sagte der Senator. So müsse die Wartefrist bis zur Arbeitsaufnahme dringend von neun auf drei Monate verkürzt werden, wie es im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vereinbart wurde. „Außerdem wollen wir das Staatsbürgerschaftsrecht ändern, Wer hier eine Ausbildung absolviert hat, soll Deutscher werden können.“
Bei der Finanzierung der Unterbringung von Flüchtlingen sieht der SPD-Politiker auch den Bund in der Pflicht. Schon im vergangenen Jahr musste der Senat einen Nachtragshaushalt in Höhe von 63 Millionen Euro bei der Bürgerschaft beantragen. In diesem Jahr werden die Mehrbedarfe noch darüber liegen, so dass sich die Gesamtausgaben auf mehr als 250 Millionen Euro für 2014 belaufen werden. „Wir müssen eine Kostenbeteiligung des Bundes diskutieren. Die finanziellen Belastungen der Kommunen sind extrem geworden“, sagte Scheele.