Bis zum 30. Juni sollen die Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe einen Asylantrag stellen, fordert SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Danach werden sie nicht mehr bevorzugt behandelt.
Altstadt. Eigentlich sollte es in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft um Rechtsverstöße wie die Verletzung der Bannmeile um das Rathaus bei einer Demonstration von und für die Lampedusa-Flüchtlinge gehen. Doch ein Satz von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel an die Adresse der Lampedusa-Gruppe ließ aufhorchen. „Nutzen Sie bis zum 30. Juni noch die Chance, auf Basis des Verfahrensangebots einen Asylantrag zu stellen“, sagte der SPD-Politiker mit energischer Stimme.
Darum geht es nach Informationen des Abendblatts: Am 2. Juni hatten sich die Innenbehörde und die Nordkirche auf ein Verfahren verständigt, wie mit den verbliebenen rund 80 Männern der Lampedusa-Gruppe umgegangen werden soll, die noch keinen Asylantrag gestellt haben. Wer bis zum 30. Juni einen Antrag stellt, der für den Senat die Voraussetzung für einen legalen Aufenthalt ist, für den gelten noch die gleichen Vorzüge im Asylverfahren, die den früheren Lampedusa-Asylbewerbern eingeräumt wurden.
Im Herbst 2013 hatten sich Behörde und Kirche unter anderem vereinbart, dass diese Männer nicht befürchten müssen, auf der Basis der geltenden Quotenregelung in ein anderes Bundesland „verteilt“ zu werden. Nach dem 30.Juni gelten für Mitglieder der Lampedusa-Gruppe dann die gleichen Bedingungen der Asylgesetzgebung wie für alle anderen Flüchtlinge auch – einschließlich eines eventuellen Wechsels in ein anderes Bundesland.
Vor mehr als einem Jahr waren rund 200 Flüchtlinge aus Nordafrika über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa nach Hamburg gekommen. Von Beginn an forderten sie ein Aufenthaltsrecht als Gruppe und eine Arbeitserlaubnis für alle. Der SPD-Senat bestand und besteht dagegen darauf, dass individuelle Anträge gestellt werden, was die meisten Männer inzwischen auch getan haben. Vorübergehend hatten Kirchengemeinden den Lampedusa-Flüchtlingen Kirchenasyl geboten.
Konflikt ist seit Monaten Thema in der Stadt
Der Konflikt um die Flüchtlinge beeinflusst das politische Klima der Stadt seit Monaten. Zuletzt hatten Lampedusa-Männer und Unterstützer auf dem Rathausmarkt gegen die Flüchtlingspolitik des Senats protestiert. Weil die Protestaktion in unmittelbarer Nähe des Sitzes der Bürgerschaft einen Verstoß gegen das Bannmeilengesetz darstellt, begann die Polizei den Platz zu räumen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit den Demonstranten. Vor allem die Linke, aber auch die Grünen hatten den Einsatz kritisiert.
„Grüne und Linke haben sich von Linksextremisten für deren Ziele missbrauchen lassen“, wetterte CDU-Bürgerschafts-Fraktionschef Dietrich Wersich in der Aktuellen Stunde. „Die Bannmeile ist keine politische Folklore. Sie dient dem Schutz der Bürgerschaft als Verfassungsorgan.“ Die Polizei sei im Übrigen maßvoll vorgegangen. Auch SPD-Fraktionschef Dressel sagte, die Polizei habe umsichtig agiert. Und an die Lampedusa-Gruppe gerichtet, fügte er hinzu: „Hören Sie nicht auf Ihre Berater, die Sie für ihre Ziele missbrauchen wollen.“
Streit zwischen SPD und Grünen
Schon im Ältestenrat der Bürgerschaft war es am Dienstag zu einer lautstarken Kontroverse zwischen SPD und Grünen gekommen, weil die SPD den Verdacht hatte, den Grünen sei die Bannmeile um das Rathaus nicht so wichtig. Die Grünen-Politikerin Antje Möller wies die Vorwürfe in der Bürgerschaft zurück: „Die Bannmeile ist für uns ein wichtiges Arbeitsinstrument. Aber wer sie durchbricht, tut das, um auf sich aufmerksam zu machen.“
Das sei zwar eine Ordnungswidrigkeit, schrecke die Menschen aber nicht ab, „weil es die einzige Lösung ist, um auf sich aufmerksam zu machen.“ Dieser Satz löste heftigen Protest bei den Abgeordneten von SPD und CDU aus, die den Grünen vorwarfen, das Bannmeilengesetz zu relativieren.
In einem Punkt waren sich jedoch alle Fraktionen einig: Die Anschläge auf Büros und Privatwohnungen von Abgeordneten, die sich in den vergangenen Monaten gehäuft haben, wurden einhellig verurteilt. Zum Teil wurden die Attacken mit der Flüchtlingspolitik des Senats begründet. „Scheiben wurden eingeworfen, Büros von innen verwüstet. Das macht wütend“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) zu Beginn der Sitzung. „Aber wir werden uns davon nicht einschüchtern lassen“, sagte Veit unter dem Beifall des gesamten Hauses. Die Präsidentin erinnerte daran, dass nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten vor gut 80 Jahren „Schläger rund ums Parlament auf den Straßen“ waren. „Davon sind wir zum Glück weit entfernt.“
„Ein Angriff gegen eine oder einen ist ein Angriff gegen uns alle“, sagte CDU-Fraktionschef Wersich. „Wir können über alles streiten, aber friedlich und gewaltfrei. Das muss die Maxime sein“, betonte Dressel. „Wir lehnen Anschläge auf Büros ab“, sagte Norbert Hackbusch (Linke). Innensenator Michael Neumann (SPD) sorgte für Staunen, als er Rosa Luxemburg zitierte: „Die Freiheit des einen endet da, wo die Freiheit des anderen beginnt.“ Es gebe eben unterschiedliche Lebensentwürfe in Hamburg. „Wir müssen Wellingsbüttel genauso ertragen wie die Schanze“, sagte Neumann.