Schulbehörde veröffentlicht Zahlen über schwere Gewalttaten. Einzelne Schulen werden jedoch nicht ausgewiesen, da dies die Einrichtungen sonst zu Unrecht stigmatisiert hätte. Besonders viele Taten wurden aus dem Bezirk Mitte gemeldet.

Hamburg. Die Schulbehörde veröffentlicht erstmals Zahlen über schwere Gewalttaten in Schulen. Danach haben 32 Hamburger Schulen im Zeitraum vom 1.Januar 2013 bis zum 1.April 2014 genau 44 Fälle von gefährlicher Körperverletzung gemeldet – bei zusammen 241.184 Schülern. Eine Tat wird als gefährliche Körperverletzung gewertet, wenn sie mit einem Gegenstand wie Schere, Glasscherbe oder Knüppel begangen wird oder wenn mehrere Täter ein Opfer angreifen.

Seit 2009 werden in Hamburg Gewaltvorfälle an Schulen gemeldet. Bislang hat die Behörde jedoch davon abgesehen, Zahlen einzelner Schulen zu veröffentlichen. „Denn oft spiegeln diese Zahlen keineswegs eine hohe Gewaltbereitschaft von Schülern an einer Schule wider, sondern geben vielmehr Aufschluss darüber, wie genau Lehrer hinsehen und wie sorgfältig sie ihren Meldepflichten nachkommen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei der Vorstellung der Zahlen. Es komme vor, dass einige Vorfälle an Schulen ausschließlich der Polizei, andere Taten nur der Schule gemeldet würden.

Vergleichsweise hohe Meldezahlen an einer Schule ließen etwa auch den Schluss zu, dass die Lehrer dort ihren Aufsichtspflichten besonders gut nachkämen. Dass die Schulbehörde bislang darauf verzichtete, Gewaltzahlen für einzelne Schulen auszuweisen, lag daran, dass dies aus ihrer Sicht die Schulen zu Unrecht stigmatisiert hätte. Die nun erfolgte Veröffentlichung geschah nicht freiwillig. Die „Bild“ -Zeitung hatte auf Veröffentlichung gedrängt, worauf die Schulbehörde nach Prüfung durch Justiziare vor einer rechtlichen Auseinandersetzung abgesehen hat.

In einem Bezirksüberblick stellt sich die Lage wie folgt dar:

Mitte: elf Taten (52.592 Schüler).

Altona: fünf Taten (31.424 Schüler).

Eimsbüttel: vier Taten (30.713Schüler).

Nord: fünf Taten (35.269 Schüler).

Wandsbek: zehn Taten (50.946 Schüler).

Bergedorf: sechs Taten (20.488 Schüler).

Harburg: drei Taten (19.752 Schüler).

Rabe sprach davon, dass die jetzt veröffentlichten Zahlen keine große Aussagekraft hätten. Angesichts der geringen Werte seien statistische Tendenzen und Zusammenhänge mit bestimmten Bezirken kaum abzuleiten. Zudem sei es gerade bei jüngeren Schülern schwierig, altersgemäße Rangeleien von Fällen einfacher Körperverletzung abzugrenzen.

Festzuhalten sei, dass darüber hinaus rund 800 einfache Körperverletzungsdelikte registriert wurden. Die meisten fanden bei Siebt- bis Neuntklässlern statt. In 85 Prozent der Fälle seien Jungs Täter und Opfer gewesen. „Vom harmlosen Turnbeutelwurf bis zu Fällen mit Rettungswageneinsatz war alles dabei“, sagte Rabe. Die Elternkammer lehnt die Zuordnung der Gewaltzahlen zu bestimmten Schulen ab. „Bestimmte Schulen bekommen dann den Stempel ‚Prügelschule‘. Da geht dann keiner mehr hin“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Claudia Wackendorff. Dabei begrüße sie die Meldung von Gewalttaten. Schließlich ist die Melderichtlinie deswegen eingeführt worden, um die Schulen bei entsprechenden Vorfällen zu unterstützen.

Dafür gibt es eine eigens eingerichtete Beratungsstelle für Gewaltprävention mit 16 Mitarbeitern. „Wenn Schulen befürchten müssen, dass eine Meldung eines Vorfalls veröffentlicht wird, dann werden sie nicht mehr um Hilfe fragen“, so Wackendorff. „Deshalb sind wir gegen eine Stigmatisierung.“

Auffällig ist zudem, dass Gymnasien in der Statistik nicht auftauchen. Keine der 60 staatlichen Einrichtungen hat eine gefährliche Körperverletzung gemeldet. Auch hier sieht Schulsenator Rabe eine grobe Unschärfe der Statistik. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei 50.000 Gymnasiasten, die 39 Wochen im Jahr zusammenkommen, es zu keiner gefährlichen Körperverletzung kommt.“ Gut möglich, dass Gymnasien eher um ihren guten Ruf besorgt sind, während andere Schulen einen anderen Umgang pflegen – etwa, um intern Zeichen zu setzen. Gut möglich, dass Gymnasiasten auch andere Formen für die Auseinandersetzung wählen. Etwa Mobbing im Internet. Senator Rabe: „Das ist ein Thema, welches uns zunehmend Sorgen macht.“