Direktoren schreiben offenen Brief an die Bürgerschaft. Rückkehr zu G9 werde Schulen in eine „Dauerkrise“ stürzen. Schulfrieden, auf den sich SPD, CDU und Grüne 2010 geeinigt hatten, würde durch die G9-Kampagne bedroht.
Hamburg. Die Vereinigung der Leitungen Hamburger Gymnasien und Studienseminare (VLHGS) legt üblicherweise Zurückhaltung an den Tag. Doch jetzt haben die Schuldirektoren in ungewöhnlich deutlichen Worten die Bürgerschaft davor gewarnt, als Reaktion auf die Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ zum längeren Weg zum Abitur am Gymnasium (G9) zurückzukehren.
„Wenn Sie jetzt die prinzipielle Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums vorwegnehmen, um die Volksabstimmung zu verhindern, richten Sie bei Schülern und Schulen einen gesicherten Flurschaden an, ohne je zu erfahren, ob die Mehrheit der Hamburger Bevölkerung das überhaupt will“, heißt es in einem offenen Brief der VLHGS an die fünf Bürgerschaftsfraktionen. Das sei „vorauseilender Gehorsam“. Statt der erwünschten Schadensbegrenzung werde auch jedes Zugeständnis an die Initiative „lediglich den zeitlich vorgezogenen Maximalschaden bedeuten, der sich unweigerlich einstellte, wenn die Volksinitiative mit ihrem Begehren tatsächlich Erfolg hätte“.
Ausdrücklich wenden sich die Schulleiter gegen den Vorschlag, das kürzere, jetzt existierende G8 und das herkömmliche G9 parallel an allen Standorten anzubieten (Y-Modell). „Das wird die Hamburger Gymnasien in eine inhaltliche, organisatorische und schulpolitische Dauerkrise stürzen“, schreiben die Pädagogen. Ihre Befürchtung: Der Zulauf zu den Gymnasien würde noch stärker werden als jetzt schon mit einer Anmeldequote von rund 55 Prozent der Fünftklässler. „Verhindern Sie, dass durch ein neuerliches Umsteuern eine neue Dreigliedrigkeit entsteht, die Stadtteilschule auf kaltem Wege zur Restschule abgewertet und das Gymnasium zur Schule für fast alle würde“, so der Appell.
Schon jetzt sehe sich die Schulform Gymnasium „mit einem Zulauf von Schülern konfrontiert, der sie daran zu hindern droht, ihre spezifischen Aufgaben als Schule für besonders leistungsfähige Schüler in erfolgreicher Weise wahrzunehmen“, schreiben die Direktoren. Außerdem werde der Schulfrieden, auf den sich SPD, CDU und Grüne 2010 geeinigt hatten, durch die G9-Kampagne „bedroht, ja zerstört“. Für den längeren Weg zum Abitur sei die Stadtteilschule „die Schule der Wahl“. Auch für die Gymnasien die Möglichkeit von G9 zu eröffnen „ist von diesen gar nicht gewünscht und verweist die Stadtteilschule zur Schule zweiter und dritter Ordnung“.
Die „Verwässerung der Alleinstellungsmerkmale beider Schulformen“ (G8 am Gymnasium, G9 an der Stadtteilschule, die Red.) sei für Stadtteilschulen „existenzbedrohend“. Die G9-Initiative, so die Schulleiter, erzeuge zudem „den wahrheitswidrigen Eindruck, das Gymnasium würde in kaltschnäuziger und überfordernder Weise an den Fähigkeiten und Möglichkeiten seiner Klientel vorbei durchmarschieren“.