“Mehr Demokratie“: Keine Unterschriftensammlung in Ferien. Heute Anhöung im Rathaus. Alle fünf Fraktionen der Bürgerschaft lehnen die Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium mit dem Abitur nach insgesamt 13 Jahren ab.
Hamburg. Es ist das erste offiziele Aufeinandertreffen zwischen der Volksinitiative G9-Jetzt-HH und den Abgeordneten der Bürgerschaft: Wenn Mareile Kirsch und ihre Mitstreiter am heutigen Montagabend im Kaisersaal des Rathauses ihre Gründe für die Abschaffung des flächendeckenden Turbo-Abiturs an den Gymnasien darlegen, geht es vordergründig um die Frage, ob die Bürgerschaft das Anliegen der Initiative übernimmt. Das würde bedeuten, dass Volksbegehren und Volksentscheid damit hinfällig wären.
Doch alle fünf Fraktionen der Bürgerschaft – SPD, CDU, Grüne, Linke und FDP – lehnen die Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium mit dem Abitur nach insgesamt 13 Jahren ab. Zwar sind Kompromisse im Prinzip denkbar, doch in Wahrheit richten sich Politik und Volksinitiative längst auf die nächste Stufe der direkten Demokratie ein: das Volksbegehren.
Innerhalb von nur drei Wochen müssen die Initiatoren gut 62.000 Unterschriften sammeln. Da kann es schon eine Rolle spielen, wann das Volksbegehren stattfindet: Innerhalb der Sommerferien etwa dürfte es deutlich schwererfallen, die vorgegebene Hürde zu überspringen. Doch genau dieser Fall würde nach den jetzt gültigen Fristen für die Volksinitiative zur Schulzeitverlängerung eintreten. Um zu vermeiden, dass die Sammelaktion ganz oder überwiegend in die Sommerferien fällt, hatte G9-Jetzt-HH bereits vor Weihnachten einen Antrag auf Fristverlängerung an die Bürgerschaft gerichtet, die darüber entscheiden muss.
Die Wogen schlugen wegen dieser Formalie schon hoch: Zwar sieht das Volksabstimmungsgesetz diese Möglichkeit vor, aber nach Auffassung zumindest der allein regierenden Sozialdemokraten gilt das nur für den Fall, dass die Verhandlungen zwischen Bürgerschaft und Volksinitiative Aussicht auf Erfolg bieten. Ein möglicher Kompromiss sollte nicht an einer Frist und wenigen Wochen scheitern.
Nun erhält die Initiative G9-Jetzt-HH Unterstützung von berufener Seite: Der Verein Mehr Demokratie, der am Volksabstimmungsgesetz entscheidend mitgewirkt hat, sieht die Sommerferien sehr wohl als möglichen Grund für die Fristverlängerung an. In einem Brief an Kirsch weist Klaus-Dieter Schwettscher von Mehr Demokratie darauf hin, dass das bis 2008 gültige Gesetz ausdrücklich „allgemeine Schulferien“ von den Sammelfristen ausgenommen hat. Laut damaliger Stellungnahme des Landeswahlleiters Willi Beiß „wollte der (Volks-)Gesetzgeber offenbar vermeiden, dass ein Volksbegehren deshalb nicht erfolgreich wäre, weil in allgemeinen Ferien eine unbestimmte Vielzahl von Menschen durch Ortsabwesenheit gehindert sein könnte, ihre Unterschrift beizufügen“.
Mehr Demokratie stimmte daraufhin der Streichung der ausdrücklichen Erwähnung der Ferien zu. „Im Zuge der Reform des Gesetzes war es unser Bestreben, die Fristenregelungen zu flexibilisieren und den Vertrauenspersonen (von Volksinitiativen, die Red.) und der Verwaltung sachdienlichere Gestaltungsspielräume zu verschaffen“, schreibt Schwettscher an Kirsch. Deswegen werden keine konkreten Gründe für eine Verlegung des Sammelzeitraums mehr genannt, sondern es heißt nur allgemein, dass dies geschehen könne, „wenn die Bürgerschaft dies auf Vorschlag der Initiatoren beschließt“.
Für den Schulausschuss-Vorsitzenden Walter Scheuerl, parteiloses Mitglied der CDU-Fraktion, ist die Sachlage klar: „Ich sehe es als unsere Pflicht an, der Volksinitiative beim Verfahren keine Steine in den Weg zu legen, sondern ihrem Antrag auf Fristverlängerung zuzustimmen.“ Auch die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels hält das für ein Gebot der Fairness. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel legt sich noch nicht fest. Er sagt: „Die SPD wird aber keine einsame Entscheidung treffen.“
Die Anhörung erfolgt vor dem Verfassungsausschuss, der Schulausschuss ist nur dazugeladen. Diesen ungewöhnlichen Weg setzten SPD, Grüne und Linke durch, nachdem es Streit mit dem Schulausschuss-Vorsitzenden Scheuerl über Formalien gab. Nach Abendblatt-Informationen lassen sich die CDU-Verfassungspolitiker von ihren Schulausschuss-Kollegen vertreten.