70 Prozent der Hamburger wollen laut Abendblatt-Umfrage Rückkehr zu G9. In allen politischen Lagern gibt es eine Mehrheit gegen das Turbo-Abitur.
Hamburg. Es ist ein eindeutiges Votum: 70 Prozent der Hamburger sprechen sich gegen das Turbo-Abitur (G8) und für den längeren Weg von neun Jahren bis zur Reifeprüfung (G9) aus. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gess im Auftrag des Abendblatts. Nur 21 Prozent der Befragten wollen das achtjährige Gymnasium behalten. Lediglich vier Prozent war die Alternative zwischen kürzerem und längerem Lernen egal. Sechs Prozent machten keine Angabe.
Die Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“, die im Sommer 2013 gestartet worden war, hat rund 17.000 Unterstützer-Unterschriften gesammelt. Ihr Ziel: An allen 60 Hamburger Gymnasien sollen die Schüler zwischen G9 und G8 wählen können. Zurzeit laufen Gespräche zwischen der Initiative und den Fraktionen der Bürgerschaft.
Dass das Landesparlament das Anliegen der Initiative übernimmt, gilt als sehr unwahrscheinlich, weil SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke gegen die Rückkehr zu G9 am Gymnasium sind. Sollten die Gespräche scheitern, wäre ein Volksbegehren als zweite Stufe der Volksgesetzgebung die Folge. Letztlich würde ein Volksentscheid, dessen Ergebnis verbindlich ist, die Frage klären. Das Turbo-Abitur hatte die damalige Koalition von CDU, Schill-Partei und FDP 2003 eingeführt. Die ersten G8-Abiturienten verließen 2010 die Schulen. Der längere Weg zum Abitur wird an den Stadtteilschulen angeboten.
Die höchste Zustimmung zu G9 mit 73 Prozent findet sich in der Altersgruppe der 35- bis 49-jährigen Befragten. Dem entspricht, dass sich ebenfalls 73 Prozent der Befragten, deren Kinder schulpflichtig sind, gegen das Turbo-Abitur aussprechen. Bei den Frauen und Männern, die 64 Jahre alt und älter sind, liegt der Anteil hingegen bei nur 64 Prozent.
Die Zustimmung zu G9 nimmt mit dem Bildungsgrad ab: 75 Prozent der Befragten mit Hauptschulabschluss sind für den längeren Bildungsgang auf dem Gymnasium, aber nur 68 Prozent der Menschen mit Abitur unterstützen diese Reform.
In allen politischen Lagern gibt es eine Mehrheit gegen das Turbo-Abitur. Am größten ist die Unterstützung für die Initiative bei den Grünen-Wählern mit 78 Prozent. Für G9 sprechen sich auch 73 Prozent der Anhänger der CDU aus – jener Partei, in deren Regierungszeit das Turbo-Abitur eingeführt worden war. Auch im Lager der SPD ist die Stimmung eindeutig: 68 Prozent sind für G9 an Gymnasien. Die größten Befürworter des Turbo-Abiturs sind die FDP-Wähler, von denen 40 Prozent dafür votieren und 53 Prozent für G9.
„Ich freue mich riesig über das überwältigende Ergebnis. Das bestätigt unsere Forderung“, sagt Mareile Kirsch von der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“. Eine Mehrheit wolle mehr Zeit für Bildung, Lernen und Freiräume für die Kinder. „Die Umfrage ist aber auch ein Signal an die Parteien, endlich ernst zu nehmen, was Eltern wünschen.“ Die Politiker sollten endlich zugeben, dass die G8-Reform gescheitert ist.
„Wir alle wollen, dass unsere Schüler in Ruhe lernen können. Die entscheidende Frage ist, ob wir dazu schon wieder eine Riesenreform riskieren wollen oder ob wir das Schulsystem endlich zur Ruhe kommen lassen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD).