Mehr als 800 Initiativen machen bei der Aktion „Hamburg räumt auf“ mobil gegen den Abfall – so viele wie nie zuvor.
Hamburg. Gebückt und mit gelben Handschuhen durchsuchten mehr als 100 Langenhorner am Sonntag ihren Stadtteil. Sie trafen sich dort, wo die ersten Krokusse blühen und sammelten auf, was Mitbürger achtlos auf Straßen, Wege und Bürgersteige geworfen haben. Nach gut zweieinhalb Stunden landeten Dosen, Flaschen, Plastiktüten, Papier und Zigarettenkippen kiloweise in den 200 Müllsäcken der Stadtreinigung. Danach war wieder alles blitzblank.
Wie in Langenhorn macht ganz Hamburg in diesen Tagen mobil gegen den Müll. Zum 17. Mal organisiert die Stadtreinigung die Frühjahrsaktion „Hamburg räumt auf“, an der sich bis zum 30. März etwa 50.000 Bürger freiwillig beteiligen werden. Schon jetzt steht ein neuer Rekord fest: „Mehr als 800 Initiativen engagieren sich. So viele hatten wir noch nie“, sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung. Aus Bürgervereinen, Schulen, Parteien, Kirchengemeinden, muslimischen Vereinen und freiwilligen Feuerwehren rücken die Hamburger dem Müll zu Leibe. Und das offenbar mit Erfolg: Immer mehr Bürger müssen immer weniger Müll sammeln. Brachte der Müllsack eines Sammlers im Jahr 1998 hoch 8,6 Kilogramm auf die Waage, so war es im vergangenen Jahr fast die Hälfe weniger (4,5 Kilogramm).
Zu den Organisatoren der Langenhorner Aktion zählte Andreas Wilkens. Der 45 Jahre alte Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr in Langenhorn hatte etliche Nachwuchsfeuerwehrleute mobilisiert, die mit ihm Wiesen und Straßen nach Plastik und anderem Müll durchsuchten. Mit dabei war auch der 15-jährige Torre. „Ich finde es gut, etwas für die Gemeinschaft zu tun“, sagte der Schüler. Harald Rösler (SPD), Bezirksamtsleiter Nord, nahm – bewaffnet mit einem Müllgreifer – ebenfalls an der Sammelaktion teil. Rösler lobte das „hochgradig gute Engagement“ in diesem Stadtteil, der sich traditionell durch einen engen sozialen Zusammenhalt auszeichnet. Dass nach wie vor Müll herumliegt, stört auch ihn.
„Die Deutschen“, sagt er, „werfen zu viel Müll weg, anstatt ihn sachgemäß zu entsorgen“, sagt Rösler. Tatsächlich wäre eine solche Aktion überflüssig, würde sich jeder Bürger korrekt verhalten, sagt Reinhard Fiedler von der Stadtreinigung. Obwohl die Abfallmenge längst nicht mehr so hoch wie im Rekordjahr 2004 ist, fallen immer noch zwischen 230 und 300 Tonnen bei der jährlichen Aufräumaktion an. Dazu gehören nicht zuletzt rostige Fahrräder und sogar ein Münzfernrohr, das einmal in der Alster gefunden wurde.
Weil der Elbstrand sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, hat gerade dort die Menge weggeworfenen Mülls zugenommen. Das Areal liegt aber nicht im Verantwortungsbereich der Stadtreinigung, sondern der Hamburg Port Authority (HPA). Sie muss für Sauberkeit sorgen. Nach Angaben der Bezirksversammlung Altona sind dort die jährlichen Reinigungskosten von 335.000 Euro auf 350.000 Euro gestiegen. „So mussten 2013 allein für die Reinigung und Entsorgung von Abfällen anlässlich des Osterfeuers 35.000 Euro zusätzlich aufgewendet werden“, hieß es dazu.
Generell lässt sich allerdings beobachten, dass die Hamburger verantwortungsbewusster als früher mit ihrem Müll und seiner sachgerechten Entsorgung umgehen. Wie aus der Erhebung des Statistischen Bundesamtes von 2011 hervorgeht, produziert jeder Bürger 446 Kilogramm Haushaltsmüll pro Jahr – bundesweit liegt das eher im Durchschnitt. Die größten Müllverursacher leben in Mühlheim (Ruhr) mit 560 und Gelsenkirchen mit 554 Kilogramm pro Einwohner und Jahr. Allerdings fällt der Rückgang in der Menge an Haus- und Sperrmüll in Hamburg weniger stark aus als im Bundesdurchschnitt. Während sie bundesweit in der Zeit von 1990 bis 2011 von 26,4 Millionen auf 16 Millionen Tonnen um 40 Prozent sank, waren es in Hamburg lediglich 16 Prozent.
Offenbar sind die Hamburger aber zunehmend bereit, ihren Hausmüll professionell zu trennen und nicht alles achtlos in die graue Restmülltonne zu werfen. Wie Julia Ummenhofer von der Stadtreinigung sagt, ging die Gesamtmenge in den grauen Behältern von rund 510.000 Tonnen im Jahr 2010 auf 460.000 Tonnen (2013) zurück. Kontinuierlich gestiegen ist in dieser Zeitspanne dagegen das Aufkommen in den grünen Biotonnen, den blauen Tonnen für Papier, Pappe und Kartonagen sowie in den gelben Wertstofftonnen. Gut gefüllt sind nach Angaben der Stadtreinigung auch die rund 9000 roten Papierkörbe in der Stadt, die alle zusammen mehr als 32.000-mal pro Woche geleert werden.
Bis zum 30. März werden die Bürger die Stadtreinigung beim Frühjahrsputz unterstützen. Besonders engagiert seien die Wandsbeker, sagt Julia Ummenhofer. „Aber auch in Bergedorf und Harburg.“ Selbst Behördenmitarbeiter machen mit. In dieser Woche wird Wirtschaftssenator Frank Horch dabei sein, wenn Taucher von Polizei, Feuerwehr und DLRG nach Unrat in der Binnenalster suchen. Alljährlich findet diese Tauchaktion viel Aufmerksamkeit. Es scheint, als sei „Hamburg räumt auf“ zu einem Event geworden. Die Langenhorner jedenfalls beendeten ihre Aktion mit einem zünftigen Grillfest vor dem Feuerwehrgebäude.