Genossenschaften investieren Rekordsumme in Neubau und Instandhaltung. Steigende Mieten machen nun auch der Mittelschicht zu schaffen. In diesem Jahr sollen 793 Wohnungen entstehen.
Hamburg. Jutta Blankau lächelt. Die sozialdemokratische Stadtentwicklungssenatorin weiß genau, dass ihr gleich die Frage nach den explodierenden Kosten beim Wohnungsbau gestellt wird. Und sie weiß, dass sie darauf keine einfache Antwort geben kann.
Hamburgs Bauwirtschaft, die private wie die genossenschaftliche, schlägt Alarm. Setzt sich bei den Baukosten der Preisanstieg der jüngsten Zeit fort, wird das zu einer ernsthaften Bedrohung für die ehrgeizigen Wohnungsbauziele des SPD-Senats.
Um 15 Prozent seien die Baukosten in den vergangenen beiden Jahren gestiegen, erklärten die privaten Bauherren Donnerstag der vergangenen Woche und hatten die Schuldigen gleich ausgemacht: Hauptgrund für die explosionsartige Teuerung seien die staatlichen Vorgaben, vor allem beim Umweltschutz.
Petra Böhme, Vorstandschefin des Arbeitskreises Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften, äußerte sich am Dienstag – wohl auch, weil die Stadtentwicklungssenatorin gleich neben ihr saß – um einiges zurückhaltender. Aber auch ihre Botschaft war klar: Die Politik müsse der Entwicklung der vergangenen Jahre endlich Einhalt gebieten.
Es ist vor allem die Energieeinsparungsverordnung (EnEV), die Hamburgs Bauherren umtreibt. Wer neu baut, hat strenge staatliche Vorgaben in Sachen Energieeffizienz zu beachten. Diese Vorgaben treiben die Baupreise und damit letztendlich die Mieten in die Höhe. Hinzu kommen die Grundstückspreise und die allgemeinen Baukosten.
Im Durchschnitt für knapp sechs Euro vermieten Hamburgs Baugenossenschaften den Quadratmeter Wohnraum. Dieser Durchschnitt wird aber in den kommenden Jahren nicht durchzuhalten sein, wenn Neubau und Instandhaltung immer teurer werden. Dabei haben die Genossenschaften – anders als private Bauherren – mehr Möglichkeiten der Quersubventionierung. „Aber irgendwann sind auch die erschöpft“, sagte ein Genossenschaftsvertreter am Rande der Veranstaltung.
Jutta Blankau, die als Stadtentwicklungssenatorin auch die Umweltpolitik in Hamburg verantwortet, weiß um die Brisanz des Themas. Zwar sagt sie auf der Veranstaltung, die für Ende dieses Jahres geplante Novellierung der EnEV sei in Sack und Tüten. Aber sie sagt auch, es gebe eine Annäherung der unterschiedlichen Interessen von Bauherren und Politik. Und womöglich werde die EnEV-Novelle ja auch noch einmal überprüft.
Die wenn auch moderat vorgetragene Kritik muss die Senatorin aufschrecken, weil die Wohnungsgenossenschaften gerade beim bezahlbaren Wohnraum in Hamburg ein wichtiger Verbündeter für die im Rathaus regierenden Sozialdemokraten sind. So bewirtschaften die Genossenschaften 20 Prozent aller Mietwohnungen der Hansestadt und 35 Prozent der Sozialwohnungen. Wenn hier die Mietpreise steigen, und sei es auch nur um einige wenige Euro, trifft das in erster Linie Menschen, die bereits jetzt mit jedem Cent rechnen müssen.
Steigende Mieten infolge explodierender Baupreise bedrohen aber nicht nur die sozial Schwächeren in Hamburg. Die privaten Bauherren sorgen sich, dass in absehbarer Zeit die breite Mittelschicht bei den Mietwohnungen nicht mehr wird mithalten können. Es gehe dabei um jene, die zwar in der Lage und bereit seien, einen Mietpreis von neun bis zwölf Euro pro Quadratmeter zu bezahlen, hieß es am vergangenen Donnerstag. Mieten über zwölf Euro pro Quadratmeter sind am Markt immer schwerer durchsetzbar. Hamburgs Idee von der wachsenden Stadt setzt aber besonders auf den Zuzug gut ausgebildeter junger Arbeitskräfte.
Noch kann Blankau froh über die Entwicklung auf Hamburgs Wohnungsmarkt sein. 524 Millionen Euro werden die Wohnungsgenossenschaften in diesem Jahr in den Bau und die Instandhaltung von Wohnungen investieren, sagte Böhme. Das sei im Vergleich zum vergangenen Jahr eine Steigerung um 54 Millionen Euro. In den Bau von Wohnungen würden 245 Millionen Euro fließen. In diesem Jahr würden 793 Wohnungen fertiggestellt.
Seit dem Jahr 2006 hätten die Genossenschaften damit insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro in den Neubau von Wohnungen gesteckt, sagte Böhme. Hinzu kämen rund 2,2 Milliarden Euro für Instandhaltung und Modernisierung. In diesem Jahr betrage die Summe dafür rund 279 Millionen Euro. Allein 66 Millionen Euro würden für Maßnahmen zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes ausgegeben.
Um den Bau von jährlich 6000 Wohnungen umsetzen zu können, hat der SPD-Senat mit der Hamburger Wohnungswirtschaft ein Bündnis für das Wohnen geschlossen. Experten gehen davon aus, dass in diesem Jahr die Marke von 6000 fertiggestellten Wohnungen überschritten wird. Blankau hatte vor einigen Wochen erklärt, dass für 2014 mehr als 11.000 Baugenehmigungen erteilt worden seien. Vom Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bis zur schlüsselfertigen Übergabe einer Wohnung dauert es in der Regel zwei bis drei Jahre.
Dem Arbeitskreis Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften gehören nach eigenen Angaben 30 Wohnungsbaugenossenschaften an. Diese verfügen über 130.000 Wohnungen. Zudem zählen die Genossenschaften insgesamt rund 200.000 Mitglieder. Insgesamt gibt es in Hamburg rund 900.000 Miet- und Eigentumswohnungen. Die Wohnungsgenossenschaften gelten auch als wichtiger Faktor für Hamburgs Wirtschaft. Sie arbeiten gerade bei der Instandhaltung vor allem mit lokalen Handwerksbetrieben zusammen.