Alle Fraktionen in der Bürgerschaft haben noch einmal versichert, dass sie den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze akzeptieren. CDU und FDP warfen dem SPD-Senat jedoch vor, die Umsetzung falsch angegangen zu sein.

Hamburg. Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) hat die Übernahme der Strom- und Fernwärmenetze von Vattenfall durch die Stadt gegen Kritik von CDU und FDP verteidigt.

„Ein gutes Verhandlungsergebnis ist im Zweifel für beide Seiten günstiger und besser als ein langer Rechtsstreit“, sagte Tschentscher am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft mit Blick auf die von Senat und Vattenfall ausgehandelten Verträge. Rückendeckung erhielt er in der Aktuellen Stunde von Grünen und Linken. CDU und FDP warfen dem SPD-Senat dagegen vor, voreilig gehandelt und mutmaßlich einen viel zu hohen Preis vereinbart zu haben. „Sie stellen Blankoschecks aus“, kritisierte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

Scholz und der schwedische Energiekonzern hatten vor einer Woche vereinbart, dass die Stadt ihre bestehende 25,1-Prozent-Beteiligung an den Strom- und Fernwärmenetzen auf 100 Prozent erhöht. Die Kosten für das Stromnetz bezifferte der Senat alles in allem auf mindestens 655 Millionen Euro. Für das 2019 zur Disposition stehende Fernwärmenetz werden noch einmal mindestens 950 Millionen Euro fällig. Die Verträge sind ein erster Schritt zur Rekommunalisierung der Energienetze, wie sie eine knappe Mehrheit bei einem Volksentscheid am 22. September verlangt hat. Nun muss sich die Stadt in einem zweiten Schritt im Konzessionsverfahren gegen mögliche Konkurrenz durchsetzen.

Der SPD-Senat werde den Volksentscheid umsetzen, versicherte Tschentscher. „Da gibt es keine Ausreden, da gibt es keine Tricks und da wird auch nicht auf Zeit gespielt.“ Er verwies aber auch auf das wirtschaftliche Risiko, das zwar zu bewältigen sei, aber keinesfalls unterschätzt werden dürfe. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel zerschlug deshalb auch erneut jegliche Hoffnungen auf niedrigere Strom- oder Fernwärmepreise für die Bürger. „Wir haben riesige Finanzierungslasten zu tragen, wir haben Investitionslasten zu schultern. Da ist kein Spielraum für Preissenkungen.“ CDU und FDP empfahl er, nicht Schlachten von gestern zu schlagen und sich zudem nicht als schlechter Verlierer zu gerieren.

CDU-Fraktionschef Wersich warf Bürgermeister Scholz dagegen Selbstherrlichkeit vor, weil dieser bei der Fernwärme schon jetzt Festlegungen für die nächste Legislaturperiode getroffen habe. „Der neue Senat wird 2018 nur Ja oder Nein sagen können. Er wird keinen Verhandlungsspielraum mehr haben.“ Gleichzeitig beschuldigte er Scholz, politische Probleme allein mit Geld lösen zu wollen. Wersich nannte dabei Scholz' Engagement bei der Reederei Hapag-Lloyd, bei der Elbphilharmonie oder bei den zuletzt ausgeschütteten zusätzlichen zehn Millionen Euro für die Polizei. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding sprach von einem immensen Risiko für die Steuerzahler. Gleichzeitig sei ein Nutzen nicht erkennbar.

Lobende Worte kamen dagegen von Grünen und Linken. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan forderte Scholz allerdings auch auf, ein Konzept vorzulegen, wie der Senat – wie vom Volk verlangt – die Energieversorgung sozialer und umweltverträglicher organisieren wolle. Bislang sei die Regierung in diesem Bereich „vollkommen blank“. „Das ist eindeutig zu wenig.“ Die Vorsitzende der Links-Fraktion, Dora Heyenn, verlangte zudem, die mit Vattenfall vereinbarten Verträge zu veröffentlichen.

Bereits vor Beginn der Bürgerschaftssitzung hatten die Umweltorganisation BUND und die Initiative „Moorburgtrasse stoppen!“ einen Planungsstopp für die Fernwärmetrasse nach Altona verlangt. Mit Übernahme der Fernwärme durch die Stadt gebe es keine Grundlage mehr für das laufende Planfeststellungsverfahren. „Das Verfahren muss daher sofort eingestellt werden, Vattenfall muss seinen Antrag zurückziehen.“ Um die rund zwölf Kilometer lange und rund 200 Millionen Euro teure Trasse vom Kohlekraftwerk Moorburg gibt es seit Jahren Streit. Unter anderem hatten Aktivisten aus Protest mehrere Wochen Bäume im Gählerpark in Altona besetzt.