Für Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz lief es zuletzt nicht gut. Mit dem Flora-Ultimatum, dem Beginn des Netzerückkaufs und einer passablen Umfrage könnte er jetzt wieder Auftrieb bekommen.

Natürlich geht es auch in der Politik auf und ab, aber in Wahrheit ist doch immer Krise. Ständig gilt es, böswillige Fragen zu beantworten und Säue einzufangen, die gerade wieder irgendjemand durch dieses Dorf namens Hamburg treibt.

Für SPD-Bürgermeister Olaf Scholz ging es zuletzt allerdings lange und weit bergab, und die Krise nahm erdrückende Ausmaße an. Schlechte Gartenschau-Bilanz, Elbvertiefung vertagt, Netze-Volksentscheid verloren.

Und dann, als der frühere SPD-Generalsekretär bundesweit als einer der Architekten der Großen Koalition gerade ganz gut dastand, kippte das Jahr 2013 in Hamburg gegen Ende fast schon ins Katastrophale.

Der Streit um Lampedusa-Flüchtling, Esso-Häuser und Rote Flora verklumpte zu einem großen Unbehagen an der angeblich so kalten und intoleranten Stadt – und führte zu einem Aufstand, der Gutmeinende und Gewalttäter verband und am 21. Dezember 2013 eine der hochgerüstetsten Demonstrationen seit den 80er-Jahren inspirierte.

Dazu Angriffe auf die Davidwache und Attacken auf wehrlose Polizisten. Als Gegenmaßnahme Einschränkung von Bürgerrechten durch die größten Gefahrengebiete, die es in der Stadt je gab – und dafür bundesweite Schelte aus liberalen Edelfedern und Reisewarnungen aus den USA. Hamburg, du Kalte und Gefahrenstadt.

„Politik ist nichts für Feiglinge“

Das meiste von all dem war natürlich überzogen: die Aktionen, die Reaktionen und viele der Analysen obendrein. Immerhin: Die nun vergangene Woche deutete eine Wende zum Besseren an.

Politik sei nichts für Feiglinge, sagt Olaf Scholz gelegentlich. So wie Franz Müntefering früher gern das „Helm auf und durch“ bemühte. Vielleicht ist der Bürgermeister kein Hölderlin-Verehrer, doch diese zwei Zeilen aus dem „Patmos“ kennt er sicher: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

Also setzte Scholz in dieser Woche den Helm auf und zum Gegenschlag an gegen die widrigen Verhältnisse.

Zeitgleich wurden die Gefahrengebiete aufgehoben und der Senat setzte per Ultimatum den Eigentümer der Roten Flora, Klausmartin Kretschmer, unter Druck, das umkämpfte Gebäude im Schanzenviertel zu verkaufen.

Dahinter steht die Einschätzung, dass sich der linksautonome Protest eindämmen lässt, wenn man den Konflikt um die Rote Flora befriedet, die längst zum Kristallisationspunkt für alle Kritik an Stadt und Staat und Senat geworden ist.

Ob das Ultimatum den kaum noch berechenbaren Herrn Kretschmer allerdings beeindruckt, ist eine andere Frage. Der 55-jährige Investor soll, so fordert es der Senat, bis Anfang Februar seine Bauvorbescheidsanfragen für die Errichtung eines auch kommerziell genutzten Kulturzentrums auf dem Gelände am Schulterblatt zurückziehen und der Stadt die Rote Flora für 1,1 Millionen Euro verkaufen.

Flora-Ultimatum – ein Signal an die Besetzer

Andernfalls will der Senat sein Wiederkaufsrecht aus dem Kaufvertrag von 2001 juristisch durchsetzen – zu einem wesentlich niedrigeren Preis. Er wirft Kretschmer vor, den damaligen Kaufvertrag gebrochen zu haben, der eine Bebauung des Geländes ausschließt und den Investor verpflichtet, die Stadt über etwaige Baupläne vorab zu informieren.

Dass die Drohung rechtlich durchzusetzen ist, da sind allerdings Zweifel angebracht. Denn eine Bauvoranfrage, mit der erkundet wird, ob ein Vorhaben im Rahmen des geltenden Bebauungsplans grundsätzlich umsetzbar wäre, ist noch kein Bauantrag.

Kretschmers Berater wies den „Erpressungsversuch“ im Namen Kretschmers denn auch zurück und kündigte eine Feststellungsklage an. Damit wird es wahrscheinlicher, dass der Streit um die Rote Flora am Ende vor Gericht ausgetragen werden könnte.

Zugleich gab das Rathaus mit dem Kretschmer-Ultimatum aber auch ein Signal an die Besetzer: Der Senat steht an Eurer Seite – Stadt und Polizei sind falsche Adressaten für den Protest.

Davon allerdings zeigten sich die Linksautonomen unbeeindruckt. Schnoddrig ließen sie wissen, dass ihnen ein Kauf der Roten Flora durch die Stadt egal sei und sie keine Gespräche über die Nutzung führen wollten: „Die reine Existenz des Hauses gibt uns Recht, dass man so einen Scheiß wie Verträge nicht braucht.“

Entspannung ist nicht in Sicht

Einen zählbaren Erfolg konnte Scholz dagegen am Donnerstag mit den Vereinbarungen zum Rückkauf des Stromnetzes präsentierte, nebst der Option zum Kauf der Fernwärme. So wie es der Volksentscheid verlangt. Das Gewitter aus Prozentzahlen und Mindestpreisen dürften in der Stadt zwar die Wenigsten durchschauen.

Aber die Botschaft war klar: Ihr wolltet den Rückkauf, ich setze ihn professionell um – auch wenn ich dagegen war. Das passt zum Scholz-Mantra vom „ordentlichen Regieren“.

Auch die Umfrage der vergangenen Woche verschaffte dem SPD-Senat ein wenig Erleichterung. Zwar ist die absolute Mehrheit futsch, aber die Zustimmung zum Bürgermeister ist trotz der unerfreulichen Monate, die hinter ihm liegen, nur wenig zurückgegangen.

Womöglich bekommt der Senat eine Atempause. Entspannen kann man im Rathaus aber nicht. Bis zur Bürgerschaftswahl fehlt nur noch ein gutes Jahr. Im Sommer steht die Gerichtsentscheidung zur Elbvertiefung an. Und die Themen Flora und Flüchtlinge bleiben virulent.

Die CDU hat schon mal rechts geblinkt. Der eigentlich dem linken Flügel zugehörige Fraktionschef und vermutliche Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich könnte, wenn die Autonomen weiter auf Straßenkampf setzen, bald den Hardliner geben und die Innere Sicherheit in den Mittelpunkt des Wahlkampfs rücken.

Nicht gerade das Lieblingsthema der Hamburger Genossen.