Hamburg baut das System der berufsbildenden Schulen radikal um. Bis 2017 investiert der SPD-Senat 475 Millionen Euro in Neubau und Sanierung. Wirtschaft und Opposition sind zufrieden.
Hamburg. Die Hamburger Berufsschulen werden in den kommenden Jahren einer umfassenden Reform unterzogen. Die bisher 44 Schulen sollen an 32 Standorten zusammengelegt werden. 17 Gebäude werden nach Aussage von Schulsenator Ties Rabe „so gut wie neu“ errichtet. Zehn Schulbauten sollen komplett saniert werden. Bis 2017 würden dafür 475 Millionen Euro investiert, sagte Rabe dem „Abendblatt“.
Grundlage der Reform ist der jetzt von der Deputation der Schulbehörde beschlossene „Schulentwicklungsplan für berufsbildende Schulen“. Bereits im Juni hatte die Behörde einen Entwurf vorgelegt und ihn an Schulen und Gremien mit der Bitte um Stellungnahme verschickt. Mehr als 70 Rückmeldungen von Schülern, Lehrern, DGB und anderen seien nun in die abschließende Version eingearbeitet worden, so die Behörde. Geplant sind demnach für das Jahr 2015 drei neue berufsbildende Schulen, vier neue Schulen in 2016 und weitere vier Fusionen in 2017. Insgesamt sollen 23 bestehende berufsbildende Schulen zu elf neuen Schulen fusionieren. Dabei würden alle „Bildungsangebote in vollem Umfang bedarfsgerecht erhalten“ bleiben, so die Behörde.
„Ich danke allen Akteuren, die zum Gelingen des Schulentwicklungsplans beigetragen haben“, sagte Schulsenator Rabe. „Er stärkt die Berufsbildung in Hamburg und ist wichtig, um den zukünftigen Fachkräftebedarf für den Wirtschaftsstandort Hamburg zu sichern.“ Ein zentrales Anliegen sei es gewesen, Schulen von einer „vernünftigen Größe“ einzurichten, wobei man sich an einem Richtwert von rund 80 Lehrern pro Schule orientiert habe. Zudem habe man Berufsausbildungsgänge nun jeweils an Schulen gebündelt. Wichtig sei es der Behörde auch gewesen, Jugendliche ohne Ausbildungsplatz über alle Schulen zu verteilen.
Lob für den Reform-Plan kam aus der Wirtschaft. „Der Schulentwicklungsplan steht nicht nur für die Konzentration von Kompetenzen an den Schulstandorten, sondern auch für eine wirtschaftsnahe Weiterentwicklung der selbstverantworteten Schule“, sagte Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg. Handwerkskammer-Hauptgeschäftsführer Frank Glücklich betonte: „Die beruflichen Schulen bilden zusammen mit der Ausbildung im Betrieb die Basis des dualen Systems in Deutschland. Die Leistungsfähigkeit dieser tragenden Säule ist von großer Bedeutung für den Erfolg des Gesamtsystems.“ Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbandes Nord, Michael Thomas Fröhlich, sagte, Hamburg setze mit der Reform Maßstäbe.
Auch der DGB Hamburg lobte die Pläne, wies aber auch auf die Belastung für die Mitarbeiter hin. „Der Schulentwicklungsplan, die Reform im Übergangssystem Schule-Beruf, die Weiterentwicklung der Studien- und Berufsorientierung – all diese Veränderungen sind positiv zu bewerten, stellen aber für die Beschäftigten große Herausforderungen dar“, sagte die neue Hamburger DGB-Chefin Katja Karger. „Aus Gewerkschaftssicht ist uns wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen bei der Umsetzung mitgenommen und beteiligt werden.“
Die Lehrergewerkschaft GEW sprach von einem „massiven Umbruch der Berufsschullandschaft“. Fusionen dürften nicht gegen den Willen der Beteiligten vollzogen werden, da dies nicht erfolgsversprechend sei. Deswegen müsse bei Konflikten ein Interessenausgleich gesucht werden. „Es ist sicherzustellen, dass die Sichtweisen der betroffenen Kollegien in den Prozess weitestgehend einbezogen werden“, sagte die Hamburger GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze. „Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium wird sein, wie in der Frage der Ernennung von Schulleitungen fusionierter Schulen vorgegangen wird. Die GEW vertritt die Auffassung, dass Voten der Kollegien einzuholen und mit bindender Wirkung zu berücksichtigen sind.“
Grüne und FDP lobten die Reform. „Es freut mich, dass die Probleme aufgegriffen und ernst genommen wurden. Auch deshalb trifft der Schulentwicklungsplan auf breite Zustimmung“, sagte Grünen-Bildungspolitikerin Stefanie von Berg. „Dieser neue Schulentwicklungsplan macht Sinn.“ Ähnlich äußerte sich FDP-Bildungspolitikerin Anna von Treuenfels: „Hier ist dem Schulsenator alles das gelungen, woran es in vielen anderen Bereichen fehlt: Er hat alle Beteiligten, besonders die Wirtschaft, intensiv mit einbezogen.“ Die FDP empfehle dem Schulsenator „auch die Veränderung an den allgemeinbildenden Schulen so stringent und integrativ anzugehen“. Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn dagegen sprach von einem „Berufsschul-Schrumpfungsplan“, der dazu führen werde, dass „viele Hamburger Jugendliche ohne Ausbildung bleiben“.