Nun ist der Senat am Zug: Initiative für neunjähriges Gymnasium nimmt die erste Hürde.
Hamburg Die Erleichterung war ihnen ins Gesicht geschrieben: Mareile Kirsch und ihre Mitstreiter von der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ haben gestern nach eigener Zählung 16.730 Unterschriften für die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums im Hamburger Rathaus abgegeben. „Wir sind sehr glücklich. Das ist mehr, als wir erwartet haben“, sagte die Journalistin und zweifache Mutter.
Die erforderliche Anzahl von 10.000 Unterstützer-Unterschriften hat die Initiative damit sicher erreicht. Im Bezirksamt Wandsbek werden die 17 Aktenordner mit Unterschriftenlisten jetzt auf ihre Richtigkeit geprüft. Abstimmen durften nur Menschen mit erstem Wohnsitz in Hamburg, die zudem mindestens 16 Jahre alt sind.
„Viele junge Eltern, viele Lehrer und Lehramtsstudenten unterstützen unser Anliegen“, sagte Kirsch. Die Initiative „G9-Jetzt-HH“ hat das Ziel, an allen Gymnasien die Wahlfreiheit zwischen dem Abitur nach acht Jahren („G8“) und dem um ein Jahr längeren Bildungsgang („G9“) einzuführen. Vor zehn Jahren hatte der damalige CDU-Schill-FDP-Senat die Schulzeit an allen Gymnasien um ein Jahr verkürzt und damit das „Turbo-Abitur“ eingeführt.
Immer wieder hat es Klagen von Eltern gegeben, dass die verkürzte Schulzeit zu mehr Stress und weniger Freizeit bei den Kindern führe. Die zeitliche Belastung ist vor allem für die Schüler in der Mittelstufe gestiegen, auch weil die zugesagte „Entrümpelung der Lehrpläne“ ausgeblieben ist.
„G9-Jetzt-HH“-Initiatorin Kirsch sprach vom „Beschleunigungswahn“, denen die Gymnasiasten ausgesetzt seien. Den Kindern bleibe weniger Zeit „zum Ausspannen, Lesen, für Sport und Kultur“ wie etwa musikalische Aktivitäten. Aber es geht der Initiative auch um die Qualität der Bildung.
„Bei G8 bleibt weniger Zeit für die Vertiefung. Es wird in Deutsch zum Beispiel weniger Literatur gelesen“, sagte Kirsch. Das „Turbo-Abi“ sei „ein Kontrapunkt zur humanistischen Bildung“. Kirsch: „Wir wollen, dass unsere Kinder nachdenken, statt nur abhaken.“ Die Volksinitiative sieht die Schulzeitverkürzung als gescheiterte Reform an. „Es muss möglich sein, gescheiterte Reformen wie diese rückgängig zu machen“, sagte Kirsch. Die Initiative spreche sich dennoch nicht für die Abschaffung von „G8“ aus, sondern für Wahlfreiheit, um niemanden zu bevormunden. „Wir Eltern setzen aber hier eine Grenze. Jetzt ist der Senat dran“.
Der SPD-geführte Senat und die Bürgerschaft haben vier Monate Zeit, um zu entscheiden, ob sie sich das Anliegen übernehmen. Falls das nicht der Fall ist, kommt es im Sommer 2014 zum Volksbegehren. „Wir nehmen die Sorgen der Eltern ernst und reichen gern die Hand zu einzelnen Verbesserungen an den Gymnasien“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). „Aber wir dürfen nicht alle vier Jahre das gesamte Schulsystem umkrempeln und Kinder, Eltern und Lehrer schon wieder mit einer neuen Riesenreform belasten.“
Auch die CDU forderte, die Sorgen der Eltern ernst zu nehmen. „Wir werden aber auch die Interessen der Eltern und Lehrer, die bei G8 bleiben wollen, und der Stadtteilschulen im Auge haben“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien. Von einem „Warnschuss in Richtung Senat“ sprach die Grünen-Schulexpertin Stefanie von Berg.