Retter der Feuerwehr kommen häufig nicht mehr rechtzeitig zum Einsatzort. Es fehlen 134 Stellen, besagt ein internes Strategiepapier.
Hamburg. Es war einer der gewaltigsten Brände der vergangenen Jahre: Mehr als 300 Feuerwehrleute kämpften einen Tag nach Neujahr gegen fast 100 Meter hohe Flammen, nachdem ein Feuer in einem Naturgummi-Lager im Harburger Hafen ausgebrochen war. Der Großbrand, bei dem die Feuerwehr höchsten Alarm auslöste, brachte die Einsatzkräfte nicht nur physisch an den Rand ihrer Kräfte: "Hätte es einen weiteren Großeinsatz gegeben, wäre dieser kaum zu bewältigen gewesen", kritisierte die Gewerkschaft Ver.di nach dem Einsatz mit Blick auf den Personalmangel bei der Feuerwehr. "Die Feuerwehr wird von der Stadt bereits sträflich vernachlässigt - zulasten der Kollegen und Bürger", sagte Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß.
Beförderungsstopp, ein seit Jahren schwelender Streit um die Auszahlung von Überstunden, dazu der im Vergleich zu anderen Verwaltungsteilen mit zwölf Prozent äußerst hohe Krankenstand und nicht zuletzt der akute Personalmangel - die Hamburger Berufsfeuerwehr ist in den vergangenen Jahren für die Innenbehörde zu einer ständigen Baustelle geworden. Dass die Beamten und ihre freiwilligen Kollegen trotz schwieriger Umstände 2011 einen neuen Rekord an Einsatzzahlen knackten, zeugt von der hohen Professionalität der Rettungskräfte. Alle 128 Sekunden ging ein Alarm ein, mehr als 244 000 Einsätze waren es insgesamt.
Doch wie lange kann dieser Belastung noch standgehalten werden? Wenige Wochen nach dem Harburger Großbrand hatte sich Berufsfeuerwehr-chef Klaus Maurer im Abendblatt über die Personalsorgen bei der Feuerwehr ausgelassen: Seinen Angaben zufolge müssen allein zwischen April 2012 und Ende kommenden Jahres 70 Stellen neu besetzt werden, allein um die Fluktuation auszugleichen. In den kommenden vier Jahren werden zudem fast 200 Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Diese Zahl werde sich in den Folgejahren mehr als verdoppeln. "Spätestens von 2018 an droht uns, dass wir die Rettungsfahrzeuge nicht mehr ausreichend besetzen können", betonte der Oberbranddirektor.
Das jetzt bekannt gewordene behördeninterne Strategiepapier verheißt nichts Gutes: Mindestens 134 zusätzliche Stellen würden benötigt, um das sogenannte Schutzziel zu erreichen, so das Ergebnis. Ziel sei es, in 85,4 Prozent der Einsätze innerhalb der Zeitvorgaben am Brandort zu sein: zehn Mann nach acht Minuten, 16 Mann nach 13 Minuten.
Ausgerichtet sind diese Zeitvorgaben an einem sogenannten Normfeuer, das nicht immer die Situation vor Ort wiedergibt. Dennoch sagen diese Vorgaben viel aus über die Einsatzbereitschaft der Brandbekämpfer. Je schneller die Beamten reagieren können und am Einsatzort sind, desto besser sind sie aufgestellt. Außerdem: Die ersten Minuten eines Brandes sind besonders wichtig: In nur zehn Minuten kann sich ein Schwelbrand in einem Papierkorb zu einem ausgewachsenen Zimmerbrand ausgedehnt haben. Minuten, die über Leben und Tod entscheiden.
Durchgerechnet wird in dem "Strategiepapier 2010" auch, ob der errechnete Personalbedarf etwa durch andere Maßnahmen als Neueinstellungen erreicht werden kann: Angedacht ist die Auflösung der für den Hafen zuständige Außenstelle Rossdamm, die Auflösung der Feuerwehrtaucher, die Zusammenlegung der Feuerwachen 35 Finkenwerder und 36 Süderelbe, aber auch die Auflösung der Feuer- und Rettungswache Finkenwerder. Das Ergebnis: Weder eine einzelne noch alle Maßnahmen zusammen würden genug Stellen freisetzen, um die Personalnöte der Feuerwehr zu lösen.
Im Gegenteil: Um zukünftig gerüstet zu sein, seien Umstrukturierungen nötig, so die Auswertung. "Wir brauchen kleinere Einheiten, aber mehr Standorte, um die Fläche besser abzudecken", heißt es dazu aus Feuerwehrkreisen. Das Gedankenspiel der Arbeitsgruppe sieht Neubauten von Wachen der Berufsfeuerwehr in Fischbek, Rissen, Niendorf, Langenhorn, Bramfeld und Allermöhe vor. Drei bestehende Wachen, die F 31 in Harburg, die F 35 auf Finkenwerder und die F 25 in Billstedt, könnten verschoben werden.
Die Innenbehörde, die Stellenkürzungen oder Wachenzusammenlegungen ablehnt, sieht das Problem, aber auch andere Wege, um das geforderte Schutzziel zu erreichen: Mit einer Verjüngung der Feuerwehrbelegschaft durch regelmäßige Einstellungen könnte die derzeitige Ausfallquote gesenkt und die Zahl der einsatzfähigen Mitarbeiter erhöht werden, sagte Sprecher Frank Reschreiter. Zudem führe die Innenbehörde Gespräche mit dem Personalrat, um den Dienstplan zu optimieren. Mit einem intelligenteren Einsatz der Kräfte könnten die Mitarbeiter entlastet und dadurch auch die Ausfallzahlen reduziert werden.