Internes Papier: Nur noch die Hälfte aller Löscheinsätze ist pünktlich, es fehlen 134 Stellen. Gewerkschaft Verdi kritisiert Senator.
Hamburg. Jede Sekunde kann nach einem Feueralarm über Leben und Tod entscheiden - doch jetzt wachsen die Sorgen: Hamburgs Feuerwehrleute treffen im Schnitt immer später am Einsatzort ein.
Wie aus einem behördeninternen Strategiepapier hervorgeht, das dem Abendblatt vorliegt, ist die Zahl der Einsätze, in denen die Feuerwehr ihre eigenen Zeitvorgaben eingehalten hat, immer weiter gesunken. Nach diesen Vorgaben sollten acht Minuten nach dem Alarm mindestens zehn Feuerwehrleute am Brandort eingetroffen sein. Noch einmal fünf Minuten später sollten sie von weiteren sechs Kollegen unterstützt werden.
Waren die Beamten vor vier Jahren noch in 66,7 Prozent aller Löscheinsätze in der geforderten Zeit mit zehn Mann vor Ort, gelingt es ihnen nach Informationen aus Feuerwehrkreisen derzeit nur noch bei der Hälfte aller Einsätze. Damit sind sie weit entfernt vom sogenannten Schutzziel der Innenbehörde, die die Zeitvorgaben in mindestens 85,4 Prozent aller Einsätze erfüllt sehen will.
Diese dramatische Entwicklung wiegt umso schwerer, als die Zahl der sogenannten zeitkritischen Brandeinsätze im gleichen Zeitraum weiter gestiegen ist. In diesen Fällen, in denen Menschenleben in Gefahr sind, muss die Feuerwehr besonders schnell am Einsatzort sein. 2010 und 2011 wurden 9024 solch kritischer Ereignisse bei der Hamburger Feuerwehr gezählt, 14 Prozent mehr als in den beiden Vorjahren.
+++ Das gewaltigste Feuer seit Jahren ist unter Kontrolle +++
Noch vom Vorgängersenat in Auftrag gegeben, soll mit dem Strategiepapier die Ausrichtung der Feuerwehr in den kommenden Jahren festgelegt werden. Die Richtung scheint klar: Die Berufsfeuerwehr müsste um mindestens 134 Stellen aufgestockt werden, um den Schutzziel-Vorgaben entsprechen zu können. Mindestens 430 Stellen und eine Reihe von Umstrukturierungen benötigte die Feuerwehr, um das Schutzziel sogar auf das "Idealmaß" von 95 Prozent zu heben - um also bei fast allen Bränden rechtzeitig vor Ort zu sein. Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert, dass das Strategiepapier noch nicht von Innensenator Michael Neumann (SPD) aufgegriffen wurde: "Es ist unmöglich, dass ein Strategiepapier, das die Arbeitsbedingungen bei der Feuerwehr elementar betrifft, beim Senator in der Schublade schmort", kritisiert Sieglinde Frieß, Bereichsleiterin für den öffentlichen Dienst bei Ver.di. Grund sei, dass man eine Vielzahl von neuen Kräften benötigte, um die Ziele der Hamburger Feuerwehr zu erreichen. "Das ist durch den Sparzwang natürlich nicht zu bewerkstelligen", so Frieß. Aber es könne nicht sein, dass die Auswertung deshalb verschwiegen werden solle.
Die Innenbehörde widerspricht: Man sei mit der Feuerwehr im Gespräch, sagte Sprecher Frank Reschreiter. Er verwies darauf, dass unter Senator Neumann 76 zusätzliche Vollzeitkräfte im Brandschutz eingestellt wurden. Neumann habe Stellenstreichungen und Wachen-Zusammenlegungen abgelehnt. Lösungsansätze sieht die Behörde auch bei dem mit zwölf Prozent äußerst hohen Krankenstand bei der Berufsfeuerwehr: Mit einer Verjüngung des Personals und optimierten Dienstplänen könne man gegensteuern.