HHLA investiert 400 Millionen Euro in den Burchardkai. Mehr Platz für Container. 1200 Beschäftigte arbeiten auf dem Terminal.
Hamburg. Bunte Rechtecke füllen den gesamten Bildschirm aus. Sie symbolisieren die Frachter, die an diesem Nachmittag am Containerterminal Burchardkai liegen. Lasse Möbius muss sie im Blick behalten. Denn von seinem Büro im neuen Leitstand des Terminals aus ordnet er den Verkehr, hält Kontakt zu Schifffahrtsfirmen, Maklern und zur Zentrale der beiden großen Zubringerreedereien in Hamburg. Möbius weiß, an welchem Liegeplatz welches Schiff wie lange bleiben kann und wo die zu verladenen Container stehen. Ein Klick auf einen Container am Schirm reicht zudem, um abzurufen, ob die Stahlkisten per Bahn oder Lkw weitertransportiert werden sollen oder in der Export gehen. Möbius' Daten sind, aufgedruckt auf einem DIN-A3-Bogen, die Grundlage für den Einsatz der Containerbrücken, den Planer ein paar Büros weiter organisieren. An diesem Abend werden allein sieben der Brücken dem französischen Großcontainerfrachter "Corte Real" zugeordnet, der in Hamburg 2000 Boxen löschen und 1800 neu laden will.
Der Arbeitsplatz des 27-Jährigen liegt im neuen Leitstand des Burchardkais. Mit der modernen Zentrale beginnt eine neue Etappe für den Terminal, welcher der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) gehört. Alle notwendigen Einrichtungen für einen möglichen Ausbau stehen jetzt bereit. Die Kapazität ist seit 2004 bereits von 2,6 auf vier Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen. 400 Millionen Euro hat die HHLA in Hamburgs größten Containerterminal investiert.
Als Herz der Anlage ist der 400 Quadratmeter große Leitstand im fünften Stock des Burchardkai-Bürogebäudes eingerichtet. Dort sitzen außer Möbius, einem Fachmann für Hafenlogistik, je nach Schiffsaufkommen bis zu 40 weitere Mitarbeiter, die über ihre Bildschirme den Betrieb steuern. Das reicht von den Schiffen, über die Berge von gestapelten Containern bis hin zu der Nutzung der acht Gleise des 2006 in Betrieb genommenen Bahnhofs auf dem Terminalgelände. Seit Mitte des Jahres haben die insgesamt 100 Fachleute im Leitstand, die in Schichten 24 Stunden am Tag bereitstehen, immer mehr der zuvor dezentral organisierten Terminalsteuerung übernommen. Jetzt läuft die Feinjustierung.
Der Güterbahnhof und die zehn Liegeplätze auf insgesamt 2800 Meter Kailänge sind dagegen fertig. Im Bereich Waltershof, abseits der Elbe, entstanden davon 1100 Meter in den Jahren 2006 bis 2012 neu. Dort arbeiten bisher schon zehn der weltgrößten Containerbrücken, von denen fünf mit einer Bewegung zwei 40-Fuß-Container verladen können. Im kommenden Februar und April werden fünf weitere Brücken aus China folgen. "Sie können 25 Containerreihen nebeneinander überspannen. Das reicht auch für die von der dänischen Reederei Maersk geplanten weltgrößten Schiffe für 18 000 Standardcontainer (TEU) aus", sagt HHLA-Vorstand Stefan Behn.
Mit der Modernisierung zieht der 1968 als erstes für Container hergerichtete Terminal mit der Anlage in Altenwerder gleich, die die HHLA 2002 eröffnet hatte. Auch am Burchardkai sind nun fünf Blocklager eingerichtet, bei denen die Container enger und höher gestapelt werden können als auf herkömmlichen Terminals. Der Grund: Die Blocklager werden von Kränen bedient, die über die Container hinweglaufen. Sie ordnen die Boxen in die Lager ein und stapeln sie bis zu sechs Lagen übereinander. Mit den Kränen werden die Zufahrtswege für die hochbeinigen Van Carrier eingespart, die sonst zwischen den Boxen unterwegs sind und sie aufnehmen und weiterbefördern.
"Der Ausbau des Burchardkais ist das größte Projekt in der Geschichte des Unternehmens, und alle Arbeiten wurden im laufenden Betrieb erledigt", sagt Behn. Den Plan, die Anlage für die Modernisierung zunächst weitgehend stillzulegen, hatte der HHLA-Vorstand während der Boomjahre im Containertransport rasch verworfen.
Der weitere Ausbau hängt nun vor allem von der weltweiten Konjunktur ab. Behn ist dabei für den Asienverkehr, über den derzeit 42 Prozent aller bei der HHLA umgeschlagenen Boxen kommen, vorsichtig optimistisch. "Wir sehen, dass die chinesische Regierung Zölle reduziert und Steuererleichterungen für Firmen anbietet und so versucht, den Handel zu stabilisieren", sagt der HHLA-Manager. Dazu hängen die Chancen Hamburgs an der Elbvertiefung. Doch nachdem das Leipziger Bundesverwaltungsgerichts die Arbeiten vorläufig gestoppt hat, ist offen, wann und ob der Fluss überhaupt vertieft wird. Geschieht dies nicht, würden wohl weniger der Großfrachter kommen, für die die HHLA ihre mehr als 100 Meter hohen Brücken bestellt hat.
Planerisch wäre der Ausbau dagegen relativ einfach. "Wir brauchen für weitere Blocklager nur noch eine Baugenehmigung zu beantragen", sagt Behn. Danach ließen sich weitere Lager bestellen, die für jeweils 2200 TEU ausgelegt sind. Bis zur Lieferung dauert es dann etwa eineinhalb Jahre. Insgesamt sind bis zu 29 Lager geplant, bis zum Jahresende werden zunächst acht in Betrieb sein. "Wir werden den Ausbau auf die künftige Entwicklung ausrichten", sagt Behn. Möglich wäre, die Kapazität bis auf sechs Millionen TEU zu steigern. Wird die gesamte Planung realisiert, müssten insgesamt bis zu 800 Millionen Euro investiert werden.
Auf dem Terminal laufen derweil die Kräne wie von Geisterhand gesteuert über die Blocklager. Auch ihre Greifer werden aus dem Hunderte Meter entfernten Leitstand per Computer gesteuert. Vor seinem Bildschirm überwacht Karsten Röhling, einer der Fernsteuerer, wie der Kran eine Box aufnimmt und über einem Lkw zunächst stillsteht. Dann ist Röhling dran. Er senkt mit seinem Joystick den Kran und setzt die Ladung auf den Lkw-Anhänger. Der Fahrer, der aus Sicherheitsgründen aus dem Führerhaus aussteigen muss, braucht die Box nur verriegeln und losfahren. Er verlässt das Terminal, während Röhling schon die nächste Box am Schirm vor Augen hat.