Der als Zeuge geladene Cousin des 16-jährigen Opfers Morsal Obeidi hat im Prozess die Aussage verweigert.

Hamburg. Dieses Recht räumte ihm der Vorsitzende Richter am Hamburger Landgericht am Freitag ein, da sich der 17-Jährige mit seiner Aussage selbst belasten könnte. Denn gegenüber der Polizei habe er ausgesagt, am Tatabend dabei gewesen zu sein: Er habe Morsal an den Tatort gebracht und diesen mit Morsals angeklagtem Bruder verlassen. Der Richter kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft noch kein Ermittlungsverfahren gegen den Cousin eingeleitet habe. Aufgrund seiner Aussage bei der Polizei bestehe der Verdacht der Beihilfe zu einem Tötungsdelikt, zumindest aber der unterlassenen Hilfeleistung.

Der Angeklagte im Prozess ist Morsals Bruder Ahmad Obeidi Die Staatsanwaltschaft wirft dem 24-Jährigen vor, seine Schwester am 15. Mai kurz nach 23 Uhr auf einem Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs Berliner Tor mit 23 Messerstichen getötet zu haben. Als Motiv gilt, dass er mit dem westlichen Lebenswandel seiner Schwester nicht einverstanden war. Der Cousin der beiden hatte Morsal demnach im Auftrag des Bruders zu dem Treffen bestellt. Ahmad Obeidi wurde bereits am Tag nach der Tat festgenommen. Er muss sich seit Dienstag wegen Mordes vor dem Landgericht verantworten. "Heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen", lautet die Anklage. Obeidi will nichts sagen zur Sache, bestreite die Tat aber nicht, sagt sein Verteidiger Thomas Bliwier.

Morsals Vater war in Afghanistan Militärpilot und hatte Ende der 80er-Jahre nach Moskau fliehen müssen. Seit 1992 lebte die Familie in Deutschland. Als die Probleme zwischen Morsal und ihrer Familie zunahmen, zwang ihr Vater sie, ein Jahr in Afghanistan zu verbringen. Anfang 2008 kehrte sie nach Hamburg zurück.

Morsal war bereits mehrfach von zu Hause, aus der Fünfzimmerwohnung in Rothenburgsort, in städtische Jugendeinrichtungen geflüchtet. Schon Jahre vor seinem Tod hatte das Mädchen vor der Tat unter dem Bruder - und wohl auch unter anderen Familienmitgliedern - gelitten. Morsal hatte ein Leben führen wollen, wie es ihre Mitschülerinnen, zunächst in Bergedorf, dann in Rothenburgsort, auch führten. Sie wollte feiern, sie wollte Spaß, wollte Jungen kennenlernen, ausgehen. Ihre Familie, allen voran Ahmad, einer von vier Geschwistern, wollte, so die Ermittlungen, offenbar all das verhindern. Er wollte sie zurückholen in die Regentschaft strenger Familientradition. Morsal hörte nicht auf ihn.