Die Musikstadt Hamburg bietet unvergessliche Momente: Das Abendblatt erinnert an Konzerte, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Jazz-Sänger Al Jarreau startete seine Karriere im Onkel Pö, die Rock-Millionäre von Race Against The Machine begeisterten in der autonomen Roten Flora, und die Smashing Pumpkins spielten kostenlos auf der Reeperbahn. Im Interview mit dem Abendblatt erinnert sich Al Jarreau (69) an seinen Durchbruch zum internationalen Star

Abendblatt:

Sie sind ja so etwas wie ein Beatle des Jazz für Hamburg.

Al Jarreau:

(lacht) Oh, das hört sich gut an.



Abendblatt:

Was fühlen Sie, wenn Sie an die Zeit von 1976 in Hamburg denken?

Jarreau:

Liebe, Freude, Glück und Aufregung. Ich hatte damals große Erwartungen an das, was noch kommen sollte. Aber auch ein wenig Angst.



Abendblatt:

Wovor hatten Sie Angst?

Jarreau:

Ein Künstler hat immer Angst. Jeden Abend hat man ein neues Publikum vor sich, und man will unbedingt erfolgreich sein. Es gibt immer die Möglichkeit, dass dem Publikum nicht gefällt, was man macht. Dieses bisschen Angst haben selbst die alten Hasen unter uns.



Abendblatt:

An Ihrem ersten Abend kamen nur sehr wenige Menschen ins Onkel Pö. Aber sehr schnell sprach sich herum, dass jemand Besonderes in der Stadt war.

Jarreau:

Ja, die Begeisterung wuchs von Tag zu Tag. Es war fantastisch und beglückend zu sehen, dass wir Erfolg hatten. Das war schöner als Fliegen.



Abendblatt:

Erinnern Sie sich noch an die Gegend um das damalige Onkel Pö?

Jarreau:

Ja, da fuhren Straßenbahnen.



Abendblatt:

Die gibt es heute leider nicht mehr.

Jarreau:

Wie schade.



Abendblatt:

Stimmt eigentlich die Geschichte, dass Sie sich mit zwei jungen Frauen vor dem Onkel Pö eine Schneeballschlacht geliefert haben?

Jarreau:

Ja, sicher. Wir bewarfen uns gegenseitig mit Schneebällen und fielen auf die Straße. Sabine und Marina kamen jeden Abend zu meinen Konzerten. Wir hatten viel Spaß und tranken viel zu viel Wein.



Abendblatt:

War da nur die Schneeballschlacht oder lief da auch ein wenig mehr?

Jarreau:

(lacht) Ich hätte vielleicht ein wenig mehr gewollt, aber es gab wirklich nur Schneebälle.



Abendblatt:

Hatten Sie auch später noch Kontakt zu ihnen?

Jarreau:

In den folgenden Jahren haben sie mich immer mal wieder bei Konzerten besucht. Ich glaube, dass wir uns vor acht Jahren das letzte Mal gesehen haben.



Abendblatt:

Wann werden Sie wieder in Hamburg sein?

Jarreau:

Das steht noch nicht fest. Aber ich denke, es wird innerhalb der nächsten zwölf Monate sein.



Abendblatt:

Mochten Sie eigentlich das Hamburger Bier?

Jarreau:

Ich habe damals nur Wein getrunken. Wie heißen denn die Hamburger Marken?



Abendblatt:

Holsten und Astra.

Jarreau:

Selbst heute trinke ich kein Bier, obwohl ich als Student in einer Brauerei in Milwaukee gearbeitet habe. In der Flaschen-Anlage der Schlitz-Brauerei. In Milwaukee leben viele Deutsche. Ich kannte das Sauerkraut, noch bevor ich nach Hamburg kam, oder Bratwurst, Blutwurst und Schweinehaxe. Ich bin mir sicher, dass einige meiner Mitschüler Verwandte in Hamburg hatten. Ein kleiner Teil von mir ist also auch ein wenig deutsch.



Abendblatt:

Was erinnern Sie noch, wenn Sie an Hamburg denken?

Jarreau:

Ich wurde hier aufgenommen, als wäre ich ein guter Bekannter. Man hat mich auf eine Hafenrundfahrt mitgenommen. Und als ich ging, rief man mir nach: "Mister Al Jarreau, gute Reise und viel Erfolg, und kommen Sie bald wieder." Und so ist es immer noch.



Abendblatt:

Was schätzen Sie, wie hoch der Anteil Hamburgs an Ihrem internationalen Durchbruch ist im Vergleich zu Ihrem Talent?

Jarreau:

Das Verhältnis ist mit Sicherheit 50 zu 50. Ein Künstler kann sehr talentiert sein, aber wenn das Publikum nicht kommt und sich nicht überzeugen lässt, dann scheitert er. Die Hamburger ließen mich damals einen sehr guten Künstler sein.