Es sollte ein kleiner Gig werden, ein Überraschungsauftritt, um die Verkäufe der neuen Platte “Adore“ zu beflügeln - doch die Nachricht, die...

Es sollte ein kleiner Gig werden, ein Überraschungsauftritt, um die Verkäufe der neuen Platte "Adore" zu beflügeln - doch die Nachricht, die Smashing Pumpkins gäben in der Hansestadt ein kostenloses Open-Air-Konzert, verbreitete sich schneller als eine Grippe-Epidemie im Winter. So ging dieser 14. Mai 1998 in die Hamburger Musikgeschichte ein. 5000 Fans hatten die Organisatoren erwartet, es kamen sechsmal so viel. Ich war einer von ihnen: Das Wetter war traumhaft, einer dieser Mai-Tage, die einen Vorgeschmack auf den Sommer geben. Schon die U-Bahnen, die uns nach St. Pauli bringen sollten, waren hoffnungslos überfüllt. Mühsam kämpften wir uns ins Freie. Die Bühne fast in Höhe der Davidstraße lag unendlich weit entfernt, zwischen den Smashing Pumpkins und uns Menschenmassen - nicht nur auf dem Spielbudenplatz, auch auf Balkonen, Telefonzellen, Schildern. Als wir uns in Richtung Bühne vorkämpften, begann das Konzert mit To Sheila - und uns beschlich diese jugendliche Panik, etwas zu verpassen, weil man nur hört, was man nicht sieht, und die Zeit schneller verstreicht, als das Ziel näher rückt. Was wir nicht ahnten: Es sollte kein Drei-Song-Kurzauftritt, sondern ein richtiges Open-Air-Konzert werden. Knapp 100 Minuten spielten die Smashing Pumpkins, und St. Pauli wurde zum schönsten Freiluftfestival der Welt. "Hier begann einst die Karriere der Beatles, die für uns wie Götter sind", rechtfertigte Pumpkins-Chef Billy Corgan die Entscheidung für Hamburg. Und alle spielten mit - die Polizei sperrte die Reeperbahn, auf der es ohnehin kein Durchkommen mehr gab. Auch nach dem Konzert blieb der Kiez über Stunden ein Sperrbezirk der Musik. Die Kneipen waren überfüllt, die Getränke gingen zur Neige, die Straßen wurden Tanzflächen. Kaum einer wollte in dieser Nacht den Kiez verlassen, in dem Gefühl, Zeuge eines besonderen Konzerts geworden zu sein.