Beim Hochfahren des Atomkraftwerkes Krümmel musste der Reaktor notabgeschaltet werden. Folge: In Hamburg fielen fast alle Ampeln aus.
Geesthacht/Kiel. Nach einem neuen Störfall steht das Atomkraftwerk Krümmel seit Sonnabendmittag wieder still. Die gerade wieder hochgefahrene Anlage im schleswig-holsteinischen Geesthacht ging um 12.02 Uhr per Reaktorschnellabschaltung vom Netz, teilte das Kieler Sozialministerium als Aufsichtsbehörde mit. Ursache für den Störfall waren nach ersten Angaben des Betreibers Vattenfall Probleme mit einem Maschinentransformator. Durch einen Defekt an diesem Trafo sei es in der Folge zu einer Unterspannung an zwei von vier Eigenbedarfsschienen des Kernkraftwerks gekommen, mit der Folge einer automatischen Abschaltung.
Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht wurde entgegen ersten Angaben nicht vom Betreiber, sondern vom Lagezentrum des Innenministeriums über den „Störfall“ informiert. Dirk Seifert, Energiereferent der Umweltorganisation Robin Wood, bemängelt: "Entgegen allen Beteuerungen des Stromkonzerns, für umfassende Transparenz und Information zu sorgen, erfuhr die zuständige Aufsichtsbehoerde offenbar erst ueber die örtliche Polizei und das Innenministerium von dem gravierenden Vorfall!"
Die Atomaufsicht habe unverzüglich Sachverständige zur Ursachenklärung hinzugezogen und in die Anlage geschickt. Erhöhte Radioaktivität ist laut den Daten der Kraftwerksfernüberwachung (KFÜ) nicht freigesetzt worden. Die Anlage befinde sich in stabilem Zustand und werde über das Fremdnetz mit Strom versorgt, teilte Vattenfall mit.
Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) erklärte, sie habe eine erneute Prüfung der Zuverlässigkeit von Vattenfall veranlasst. „Vattenfall ist jetzt in der Pflicht, weitreichende Konsequenzen aus dem jüngsten Störfall zu ziehen“, sagte sie. Ein Sprecher des Ministeriums teilte ergänzend mit, die erste Information über die Abschaltung an den Einsatzstab im Innenministerium sei nicht von Vattenfall gekommen, sondern von der Polizei.
In Hamburg kam es zu Störungen durch einen Spannungseinbruch im Stromnetz. Im gesamten Stadtgebiet fielen rund 1500 Ampelanlagen von insgesamt 1800 aus. Nach drei Stunden waren bis auf rund 50 Anlagen alle wieder am Netz. Betroffen waren auch einige Einkaufszentren sowie die Stahl- und Aluwerke sowie seien mehrere Telekommunikationsanlagen in Hamburg und Schleswig-Holstein. In Hamburg waren nach Abendblatt-Informationenen von Twitter-Usern unter anderem die Sendeanlagen des Fernsehturms (Heinrich-Hertz-Turm). So soll es kurzzeitig zu Sendeausfällen bei "Radio Hamburg" gekommen sein.
Unter anderem führte die Störung im Stromnetz kurz nach 12 Uhr auch zu einem Ausfall in der Rettungsleitstelle des Kreises Segeberg. Zwei Stunden lang waren Feuerwehr und Rettungsdienst nicht über den Notruf 112 zu erreichen. Die Bewohner wurden im Rundfunk aufgefordert, im Notfall die Polizei über 110 zu alarmieren. Nachdem zunächst auch die Funktechnik ausgefallen, gelang es der Norderstedter Feuerwehr mit einem Einsatzleitfahrzeug, provisorisch den Funkverkehr wieder herzustellen. Im gesamten Kreisgebiet besetzten die Freiwilligen Feuerwehren sämtliche großen Wachen mit Personal um sicherzustellen, dass die Bürger Ansprechpartner haben, wenn sie über die Nummer 112 keine Hilfe erhalten. Auch bei der Polizei habe es Probleme gegeben, sagte ein Sprecher des Lagezentrums im Kieler Innenministerium. Einzelheiten wollte der Sprecher nicht nennen.
Das umstrittene Kernkraftwerk war erst vor zwei Wochen nach zwei Jahren des Stillstands wieder in Betrieb gegangen. Kurz danach war es zunächst zu einem Defekt in der Elektronik gekommen. Einige Tage später schaltete sich der Reaktor wegen eines Problems in der Turbine ab, konnte aber mit verminderter Leistung weiter betrieben werden. Nach Vattenfalls Angaben, die noch nicht von der Atomaufsicht bestätigt sind, war menschliches Versagen der Grund für die Störung. Ein Ventil an einem ausgefallenen Eigenbedarfstransformator sei falsch eingestellt gewesen.
An diesem Wochenende sollte Krümmel wieder hochgefahren werden und seine volle Leistung erreichen. Dagegen hatten rund 120 Atomkraftgegner am Freitag mit einer Mahnwache demonstriert; die Aktion aber am Abend vorzeitig abgebrochen. Naturschutzorganisationen und die Grünen fordern, den Reaktor wegen seiner Störanfälligkeit ganz vom Netz zu nehmen. Der schleswig-holsteinische Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl, Konstantin von Notz, erklärte, nun müssten strafrechtliche Schritte geprüft werden. Beim Krümmel-Betreiber Vattenfall seien ganz offensichtlich weder Zuverlässigkeit noch Sorgfalt vorhanden.