Nach dem Angriff auf den Tanker vor Benin herrscht Entsetzen bei Hamburger Reederei. Kollegen sammeln für die Familie des Opfers.
Hamburg/Benin. Schwer beladen lag der 230 Meter lange Tanker in der See vor Westafrika. Seit Tagen wartete die Crew bereits darauf, dass die Hafenbehörden in Benin die Freigabe zum Einlaufen meldeten. Die Küste war gut 30 Kilometer entfernt, genügend Sicherheitsabstand also, wie der Kapitän der "Cancale Star" vermutete. Doch die Gangster kamen trotzdem, töteten seinen ersten Offizier.
"Wir sind alle tief bestürzt", sagte gestern der Hamburger Reeder Peter Krämer, zu dessen Flotte der überfallene Tanker gehört. Der ukrainische Seemann hinterlasse eine Frau und zwei kleine Kinder. Krämer: "Wir sammeln hier in Hamburg und auch auf allen unseren Schiffen, um die Familie zu unterstützen." Zwar sei durch die Haftpflichtversicherung eine finanzielle Absicherung gewährleistet - aber das Sammeln sei auch eine Form der Solidarität, so Krämer: "Das ist alles entsetzlich traurig. Uns ist ein solch schrecklicher Überfall zum ersten Mal passiert."
Unterdessen hat gestern die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Raubmordes gegen Unbekannt eingeleitet. Die "Cancale Star" gehört der Chemikalien Seetransport GmbH von Krämer, einer Tankerreederei mit Sitz an der Mattentwiete. Dadurch ist die Hamburger Staatsanwalt zuständig für diesen Fall.
Am frühen Dienstag hatte sich ein Schnellboot mit etwa einem Dutzend Piraten an Bord dem erst 2007 in Dienst gestellten Schiff genähert. Den Gangstern gelang es, auf den Tanker zu kommen, der wegen seiner vollen Beladung nur wenig Freibord hatte. Üblicherweise benutzen die Piraten vor Westafrika Enter-Strickleitern, die sie mit Wurfgeschossen an Deck katapultieren können, um dann blitzschnell hochzuklettern, heißt es in Branchenkreisen. Auf dem Schiff kam es offensichtlich zu einem Kampf, als die Piraten Geld aus dem Bordsafe verlangten. Einer der Räuber schoss und traf den Offizier tödlich. Vier weitere Crewmitglieder wurden verwundet. Sie trugen aber keine ernsthaften Verletzungen davon, meldete die Reederei gestern. Einen der Piraten konnte die Besatzung überwältigen, als die Gangster flohen. Er wurde inzwischen der Polizei in Benin übergeben, wo das Schiff derzeit im Hafen liegt. Noch sei nicht geklärt, ob die 24-köpfige Besatzung (darunter keine Deutschen) ausgetauscht wird oder weiterfährt. Zudem gebe es noch weitere Vernehmungen, um Details des Überfalls zu klären.
Zwar hat es vor Westafrika in jüngster Zeit mehrere Überfälle auf Schiffe gegeben; doch sei die Lage vor Westafrika noch nicht vergleichbar mit der Situation im Golf von Aden, heißt es beim Verband Deutscher Reeder. "Der entscheidende Unterschied sind die Geiselnahmen, die es im Golf von Aden gibt", sagt Verbandssprecher Max Johns. Vor Westafrika werde eher versucht, Geld oder Wertgegenstände zu erbeuten - brutale Raubüberfälle und keine klassische Piraterie. Allerdings warnt die Deutsche Seemannsmission, dass sich auch Westafrika zu einem zweiten Schwerpunkt der Piraterie entwickeln könnte. Im Frühjahr sei die Situation dort bereits so akut gewesen, dass auf manchem zivilen Schiff privat organisierte Gegenwehr eingesetzt worden sei.
Welche Konsequenzen die Hamburger Reederei der "Cancale Star" nun ziehen wird, sei aber noch offen, sagt Reeder Peter Krämer: "Dazu ist es noch zu früh. Aber wenn es vor Westafrika jetzt viel gefährlicher werden sollte, müssen wir darauf reagieren."