Abendblatt-Redakteur Andreas Dey hat sich an der Elektronischen Steuererklärung (Elster) versucht. Und ist kläglich gescheitert. Weil das Programm fehlerhaft ist.

Hamburg. Machen wir es kurz: Am Anfang und Ende dieser Geschichte steht ein Besuch im Finanzamt Harburg. Das ist eine erfreuliche Sache, 2004 wurde es von einer Fachzeitschrift zum "besten Finanzamt Deutschlands" gewählt. Dazwischen steht der Versuch, eine elektronische Steuererklärung (Elster) abzugeben. Das ist eine unerfreuliche Sache.

Dienstag, 11.52 Uhr, Finanzamt Harburg. Wenig los. Der Kunde vor mir holt sich am Empfang eine Elster-CD ab. "Die hätte ich auch gern!" Die freundliche Dame ohne Namensschild hinter dem Tresen erklärt mir, dass es das Programm auf CD oder zum Herunterladen im Internet gebe: www.elster.de "Und was mache ich, wenn es Probleme gibt?" "Ich bin auch keine Expertin, aber da steht alles drin", sagt die Dame und reicht mir eine beidseitige beschriebene DIN-A4-Seite. Hm, eine Telefonnummer steht da nicht. "Gibt es keine Hotline?" Doch, Frau Namenlos kramt in ihren Unterlagen und schreibt mir zwei Nummern auf. "Die eine ist für technische Probleme, die andere für inhaltliche." Wie freundlich! Der grinsende grüne Ton-Froschkönig mit goldener Krone auf dem Tresen hätte mich stutzig machen sollen. Den Brüdern Grimm ist jede Bosheit zuzutrauen.

Gleicher Tag, vorm Computer. CD rein, los geht's. Mit den Problemen. Nachdem das Programm "ElsterFormular 2008/2009" auf dem Rechner installiert ist, öffnet sich die erste Seite des vertrauten Steuererklärungsformulars. Erster Schritt? Klar, Steuernummer eingeben. Ein Fenster öffnet sich, darin eine Zahlenreihe, die ersten drei Ziffern sind aber schon vorab in Stein gemeißelt: "030". So fing meine alte Steuernummer an, die neue aber mit "47..." Was nun? Anruf bei der Hotline, der für inhaltliche Probleme. Geht keiner ran. Dienstag, 15.45 Uhr. Zwei Minuten später das gleiche Spiel. Also Anruf im Finanzamt. Geht auch keiner ran. Anruf unter 428 71 10, der zentralen Nummer des Bezirksamts. "Willkommen beim Hamburg Service!" Danke. Eine nette Frau weist mich auf die zentrale Hotline aller Finanzämter hin: 428 70 70. Auch dort eine freundliche Dame, die tatsächlich Rat weiß: "Schreiben Sie einfach Ihre alte Nummer rein, die im Finanzamt ändern das schon." Meinen Sie echt? "Ja, machen Sie einfach!" Na denn. Nur fünf Anrufe - oder Versuche - und schon flutscht es.

"Das Format ist gültig", sagt das Programm. Puh, weiter geht's. Daten eingeben funktioniert im Prinzip wie bei den Papierbögen - halt tippen statt schreiben. Trotzdem - oder gerade deshalb - beschleicht mich der Gedanke: Warum mache ich das dann nicht gleich auf Papier? Dann müsste ich mich nach Ausfüllen der ersten Seite auch nicht fragen, wie es weitergeht. Eine virtuelle Hostess, die durchs Programm führt? Gibt es nicht. Ein Fenster mit dem Hinweis: Diese Seite ist korrekt ausgefüllt, machen Sie jetzt bitte dies oder das? Gibt es auch nicht. Ein mittelmäßig begabter PC-Nutzer kann da schon mal nervös werden. Schließlich scheint ein Klick auf den winzigen Button oben rechts die plausibelste Lösung zu sein: "Nächste Seite". Tatsächlich.

Jetzt läuft es. "ElsterFormular" ist zwar etwas anders aufgebaut als die Papiervordrucke, aber die Verwirrung hält sich in Grenzen. Bis zur plötzlichen Frage: "Möchten Sie jetzt zur Ansicht der 1. Lohnsteuerbescheinigung wechseln?" Tja, möchte ich das? Anruf bei der Hotline für inhaltliche Probleme. Keiner da. Klicken wir mal "Ja". Es erscheint die vertraute Lohnsteuerbescheinigung, aber ohne Inhalt. Ausfüllen ist Kinderkram, danach forsch auf "Zur 2. Lohnsteuerbescheinigung" geklickt, für die Daten der Gattin. An dieser Stelle müsste mich die Elster ohrfeigen oder anderswie stoppen. Tut sie aber nicht. Dafür lässt sie mich bei der abschließenden "Plausibilitätsprüfung" voll auflaufen.

Blutrot hinterlegte Felder stören die blassgrüne Idylle, dazu der klein gedruckte Hinweis: "Formaler Fehler. Kein nunmerischer Wert ohne Nachkommastellen und ohne dem Wert 0". Hä? Grammatikalisch gewagt, so viel ist klar. Stört die 0, die ich an der Stelle wahrheitsgemäß übertragen habe? Na gut, lösche ich halt die Ziffer und lasse das Feld frei. Neue Prüfung, altes Ergebnis: "Kein nummerischer ..." Vielleicht eine 1 oder eine andere Zahl? Nein, Elster setzt eigenmächtig immer wieder die 0 ein und mahnt: "Kein nummerischer ..." Jetzt hilft nur noch ein Klick auf "Online-Hilfe (Elias)". Es erscheint ein lustiger silberner Roboter mit gelblichen Glubschaugen, sieht aus wie eine Mischung aus ET und R2D2. Er menschelt: "Es geht um Fehler? Das frustriert mich natürlich." Mich auch. Was tun? Ich möge doch die genaue Fehlermeldung eingeben. Also: "Formaler Fehler. Kein nummerischer Wert ..." Antwort der Blechkiste: "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was Sie gerade für Zahlen eingeben." Ach! Ich auch nicht! Grrr. Ich versuche es nur mit "Formaler Fehler". Antwort: "Das habe ich jetzt nicht richtig verstanden. Wären Sie so freundlich, eine andere Formulierung zu wählen?" Ich frage direkt: "Warum wird die 0 nicht akzeptiert?" Antwort: "Sie müssen sich auch etwas Mühe geben." Ohne Worte.

Soll ich aufgeben? Wer weiß, wohin das noch führt. An meinem Bett liegt gerade "Tintenblut", der zweite Teil von Cornelia Funkes "Tintenherz"-Trilogie. Die böse Alte, die darin der kleinen Meggie nach dem Leben trachtet, heißt schlicht "Die Elster".

Aber Bangemachen gilt nicht. Also weiter. 18 Uhr, Anruf bei der Hotline, diesmal der für technische Probleme: "Zurzeit sind alle Plätze belegt." Leider dauerhaft. Zeit zum Nachdenken. Hat Elster eine 2. Lohnsteuerbescheinigung für mich angelegt? Statt einer für meine Frau? Hm, könnte sein. Scheint so. Ist so! Grrrrr. Warum hat die Plausibilitätsprüfung das durchgehen lassen? Ich werd verrückt.

Also neu ausfüllen, noch mal die Prüfung. Wieder das niederschmetternde Ergebnis: "Kein nummerischer Wert ..." Aber diesmal lässt sich wenigstens die verdammte 0 löschen. Wieder die Prüfung. Es klappt, meine Angaben sind "plausibel"! Durchatmen. Alles wird gut.

18.49 Uhr. Die "Berechnung", jetzt reden wir über Geld. Bekomme ich etwas erstattet? Richtig viel? Nein, nur eine Antwort: "Es konnte keine Steuerberechnung erfolgen." Und zwar "aufgrund der von Ihnen getätigten Abzugsgründen für ein Kind ..." Grammatik wieder fünf. Aber welche "Abzugsgründe" sind gemeint? Gut, ändere ich die Angaben. Einmal - bringt nichts, zweimal - bringt auch nichts, dreimal - und immer dieselbe Antwort: "Es konnte keine Steuerberechnung erfolgen." Wutanfall. Die Pflicht zur Steuererklärung verstößt eindeutig gegen die Menschenwürde.

"Sch... drauf!" Schick ich den Kram halt ohne Berechnung zum Finanzamt. "Plausibel" soll ja alles sein. Klick auf "Test-Übermittlung". Kurz warten. Fenster öffnet sich: "Die Steuerdaten wurden NICHT an die Steuerverwaltung übertragen! Übertragungsfehler - 102001: ESTPoverHTTPS: Fehler bei der Kommunikation (CURL). Couldn't connect to host". Wie bitte??? Anruf bei der Hotline. 19.35 Uhr, es geht jemand ran! Ein netter Herr sächselt: "Das liegt wohl an Ihrer Firewall." Und nu? "Die lässt die Daten nicht durch. Sie müssen der Firewall eine Anweisung schreiben." Eine was? Ich dachte bislang, die Feuerwand schützt mich vor Schmuddelkram, nicht andere vor meiner Steuererklärung. Wobei, wer will das Zeug schon haben? Egal, fragen wir mal konstruktiv: Wie geht das? Freundliche, aber unbefriedigende Antwort: "Es ist nicht Bestandteil des Elster-Supports, Ihre Firewall zu konfigurieren." Schade. Aber eine Frage noch: Warum akzeptiert das Programm keine 0? "Könnte daran liegen, dass Sie eine alte Version von ElsterFormular haben." Aber die habe ich mir doch heute vom Finanzamt geholt! "Dann müssen Sie sich ein Update herunterladen." Kurze Pause. "Aber das wird Ihre Firewall auch blockieren." Schönen Gruß nach Sachsen.

Letzter Klick: "Datei schließen". Test beendet. Tag versaut.

Donnerstag, 10.44 Uhr, Finanzamt Harburg. Nummer ziehen. A84. Jetzt ist A77 dran. Zeit, das einsame Anzeigenblatt auf dem Stehtisch durchzublättern. Titelstory: "Frühlingsgefühle: Es grünt und blüht." Blüht mir auch was? Jedenfalls keine lange Wartezeit. Um 10.59 Uhr darf ich zu Frau J. an Platz 5. Sehr freundliche Dame, sehr hilfsbereit. Frage: Warum kann ich bei Elster keine 0 eingeben? Steht doch so auf meiner Lohnsteuerbescheinigung! Tja, sagt Frau J., das System akzeptiere wohl keine Nullen, die Felder müsse man halt freilassen. Aber sonst habe sie gute Erfahrungen mit Elster gemacht. Und warum meckert es immer bei den Kinderbetreuungskosten? Ja, die könne Elster nicht berechnen, das sei eine Schwäche. Aber warum sagt mir das Programm das nicht so deutlich wie Sie? Frau J. zuckt mit den Achseln. Ob sie Mitleid mit mir hat? Jedenfalls macht sie mich auf einen anderen Fehler aufmerksam, der teuer geworden wäre. Danke!

11.18 Uhr, raus, vorbei an dem Froschkönig. Im Foyer des Finanzamts liegen die guten alten Papiervordrucke für die Steuererklärung. Fein säuberlich in Pappkartons sortiert. Sehr übersichtlich. Nehme ich mir einfach mal mit.

Harburg Die Noten

Erreichbarkeit 1

Parkraum 5

Beschilderung 4

Wartezeit 2

Unterhaltungsangebot 4

Freundlichkeit 1

Information 2

Behindertengerecht 2

Online-Auftritt 3

Atmosphäre 3