Der Verkauf von Holzdildos auf Santa Pauli ist nur eine Begebenheit von mehreren, die das Paar als Unterschied zum Süden entdeckt.
Hamburg. "Also, bei uns in Bayern werden nur Stuhlbeine gedrechselt", ruft Natalie Friedl. Etwas verwundert schaut sie auf den hell erleuchteten Stand neben sich. "Und auch nicht unbedingt auf dem Weihnachtsmarkt." Sie lacht ungläubig. Die 30-Jährige lebt seit Oktober mit ihrem Lebensgefährten Dirk Schmidt in Hamburg. Vorher wohnte das süddeutsche Paar in Heidelberg, Stuttgart und zuletzt in München. "Was? Nee, das sind ja wirklich welche!", meint ihr Freund, der gerade vom Glühweinstand zurückkommt. Genau. Holzdildos. Sie werden auf dem Weihnachtsmarkt Santa Pauli auf dem Spielbudenplatz in vielen Farben, Größen und Lackierungen angeboten.
Diese Begebenheit ist eine von mehreren, die das Paar als Unterschied zum Süden entdeckt. Es bummelt mit dem Abendblatt zum ersten Mal über die Weihnachtsmärkte seiner neuen Heimatstadt - und zieht den Vergleich zu München.
+++ Die Öffnungszeiten +++
Der Klassiker
Auf dem historischen und preisgekrönten Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus geht es los. Seit nunmehr zwölf Jahren organisiert der Direktor des Zirkus Roncalli, Bernhard Paul, mit seinem Team den Markt. Besondere Mühe hatte er sich mit der eigens entworfenen Architektur gegeben. Was die Ex-Münchner sofort honorieren. "Diese vielen kleinen Gassen, das ist alles wirklich liebevoll gemacht worden", sagt Dirk Schmidt, "bei uns ist das mehr wie Kraut und Rüben." Der 31-Jährige ist Strategieleiter Europa beim Hamburger Windenergieunternehmen Repower Systems und des Jobs wegen in die Hansestadt gezogen. "Die Überdachungen an den Ständen sehen schön vorweihnachtlich aus. Hoffentlich ist das nicht nur, weil es hier doch ganz gern mal regnet." Mit Bratwurst für ihn ("die schmeckt ziemlich identisch") und gefülltem Dresdner Handbrot für sie aus der Spezialitätengasse schlendern die beiden durch die Naschgasse, dann durch die Kaufmannsgasse. Und bleiben stehen, als sie einen besonderen Stand erblicken. "Das habe ich ja noch nie gesehen", sagt Natalie Friedl und zeigt auf eine Weihnachtsmarktbude, die voll grüner Zweige ist. Mistelzweige. Mal ein fein verästelter, einer mit mehreren milchig-weißen Beeren, dann nur ein Ast. "Also den englischen Brauch, dass man sich darunter küssen soll, den kenne ich, aber so viele auf einmal habe ich noch nicht gesehen", sagt die Maschinenbauingenieurin, die gerade für die Münchner Beratungsfirma Whiteblue Consulting einen neuen Standort in Hamburg aufbaut. Bei so viel Begeisterung ist klar, dass ihr Freund vier Stück für die gemeinsame Wohnung in Eimsbüttel kauft.
Das Fazit: Beiden gefällt der traditionelle Markt, er ist größer und freundlicher gestaltet als sein Pendant auf dem Münchner Marienplatz. Außerdem ist der Glühwein heißer.
Der Enttäuschende
Zweite Station ist der Weihnachtsmarkt auf der Fleetinsel. Zwischen Stadthausbrücke und Rödingsmarkt gelegen, nahe dem Hafen und an einem Fleet, spekulierten die beiden auf maritimes Flair. Und werden enttäuscht. "Die beleuchteten Schiffe sieht man ja gar nicht richtig, wenn man hier steht", sagt Friedl. "Grundsätzlich finde ich es natürlich toll, dass das Wasser so nah ist, eine Lage wie diese haben wir im Süden nicht gehabt. Aber das finde ich hier eher langweilig." Einen Pluspunkt gab es jedoch: Die besonderen Glühweintassen mit dem aufgedruckten goldenen Engel überraschten die beiden Weihnachtsmarkttester angenehm.
"Und guck mal hier, da gibt es ja Spanferkel", sagt Schmidt verwundert. Nahe dem Mützenstand und dem Häuschen, wo man Fotoshootings buchen kann, drehte sich ein ungemein großes Ferkel mit eingeritzter Haut um einen Spieß hinter Plexiglas. "Für mich nicht unbedingt typisch Weihnachten", sagt er. "Aber was mir überhaupt auffällt, ist, dass es hier als Dekoration viel mehr nordische Dinge gibt", sagt die junge Frau. "Überall sind Rentiere und Kutschen, viel weniger Krippen und Christkindl als im katholischen Bayern."
Das Fazit: Von einem Weihnachtsmarkt, der wie auf der Fleetinsel umringt von Galerien, Kreativ-Agenturen und besonderen Lokalen ist, würden sich die beiden weniger "Mainstream", mehr Liebevolles und Handwerkliches wünschen.
Der Spitzenreiter
Die dritte Station liegt an der Reeperbahn. Der Weihnachtsmarkt Santa Pauli begeistert schon beim ersten Schritt: "Dieser Rindenmulch auf dem Boden, der wärmt die Füße, das ist ja genial", sagt Natalie Friedl, denn ihre Füße waren mittlerweile eiskalt geworden. Auch Lage, Vielfalt und Größe auf der sündigen Meile beeindrucken die beiden. "Also hier gibt es ja echt alles, vom Grünkohl über das Strip-Zelt, eine Wahrsagerin, diese - ich sag mal - Holzkunst bis hin zu T-Shirts aus dem Gefängnis!", sagt Dirk Schmidt. Auch der Erdbeer- und Bratapfelglühwein kommt gut an, eben mal was anderes. "Das probieren wir jetzt", sagt Friedl dann. Sie hat einen Stand mit Schmalzgebäck entdeckt und kauft eine kleine Papiertüte mit frischen Mutzenmandeln, Mürbeteiggebäck in Mandelform. "Auch das habe ich noch nie bei uns gesehen oder gegessen", sagt sie. Schmeckt aber beiden ausgezeichnet. Den letzten Blick gönnen sie sich vom Winterdeck aus, steigen einige Holzstufen auf die Empore am oberen Ende des Marktes. Und auch hier eine Überraschung: "Wirklich gemütlich sieht das aus", sagt Schmidt, als er zwei größere Sitzecken sieht, die mit Sofas, Kamin, Kissen und Decken wie ein Wohnzimmer eingerichtet sind.
Fazit: Der freche Santa-Pauli-Markt ist für das Paar der interessanteste, abwechslungsreichste und lustigste Weihnachtsmarkt. Hierher wollen sie noch einmal gehen, wenn der Besuch aus Bayern am Wochenende zu ihnen nach Hamburg kommt.