Wie der Innensenator Ex-Sicherungsverwahrte in Jenfeld kontrollieren will. Sozialpädagogen für 110 000 Euro pro Jahr
Hamburg. Hans-Peter W. ist ein freier Mann. Eigentlich. Er kann seine Wohnung verlassen, wann er will. Auch nachts um 3 Uhr hindert ihn niemand daran, eine Runde um den Block zu drehen. Doch alleine ist der 54-Jährige draußen nie unterwegs. Hans-Peter W., der 1980 zwei Frauen vergewaltigt hat, wird rund um die Uhr von der Polizei überwacht. Zurzeit auf dem Gelände einer Asklepios-Klinik, bald an seinem neuen Wohnort - einem ehemaligen Altenheim im Stadtteil Jenfeld. Auch der ehemalige Sicherungsverwahrte Karsten D., der 1993 wegen Totschlags verurteilt wurde, wird in das Haus an der Straße Elfsaal einziehen, in dem zuletzt Therapien für Alkoholiker angeboten wurden. Zudem wird Jens B., der wegen Vergewaltigung in Haft und Sicherungsverwahrung saß, voraussichtlich noch bis Ende dieses Jahres in die Freiheit entlassen und könnte dann ebenfalls eine der Zweizimmerwohnungen im ersten Stock des Gebäudes beziehen. Seine Sicherungsverwahrung ist seit Mai dieses Jahres verstrichen, vom Landgericht bestellte Gutachter kamen bereits zu dem Schluss, dass er nicht mehr hochgradig gefährlich ist.
Drei verurteilte Schwerverbrecher in einem Haus: Für die Polizei bedeutet das einen massiven Sicherheitsaufwand. "40 Beamte werden die Männer im Schichtdienst rund um die Uhr überwachen", sagt Innensenator Michael Neumann (SPD). "Die Kosten dafür betragen zwei Millionen Euro jährlich." Nicht einen Schritt sollen die entlassenen Sicherungsverwahrten in der Öffentlichkeit alleine machen können. Zudem wird es in dem Haus, das in der Nähe der Helmut-Schmidt-Universität und eines Wohngebiets liegt, einen zusätzlichen Sicherheitsdienst geben.
Trotz der aufwendigen und vor allem kostspieligen Sicherheitsvorkehrungen - begeistert werden die Anwohner von ihren neuen Nachbarn nicht sein. "Die Schulen wurden über die ehemaligen Sicherungsverwahrten bereits informiert", sagt Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD). Zudem hätten die Anwohner Einladungen für eine Veranstaltung am kommenden Dienstag erhalten. In der Helmut-Schmidt-Universität wird den Bürgern an diesem Abend unter anderem das Sicherheitskonzept vorgestellt.
Die Stadt war lange bemüht, eine andere Unterbringung für entlassene Sicherungsverwahrte zu finden. Jedoch ohne Erfolg. "Es wurden 24 Träger, die über diverse Einrichtungen verfügen, angefragt", sagt Schiedek. Doch keiner wollte die verurteilten Schwerverbrecher haben. "Deshalb mussten wir nun eine eigene Unterbringung schaffen." Warum die Wahl auf ein Haus in Jenfeld gefallen ist und ob es Alternativen gab, ist nicht bekannt. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sagt dazu lediglich: "Das Haus steht relativ allein." Es gebe keine direkten Nachbarn.
Beziehen könnten Hans-Peter W. und Karsten D., der sich momentan freiwillig in einer sozialtherapeutischen Anstalt aufhält, ihre neue Bleibe sofort. "Da beide Männer arbeitslos sind, wird ihnen angeboten, morgens in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor zu arbeiten", sagt Scheele. So könne ein Stück Normalität hergestellt werden. Geplant sei, dass Mitarbeiter des sozialen Dienstleistungsunternehmens "fördern und wohnen" Hans-Peter W. und Karsten D. zur JVA hinfahren und wieder abholen. Nachmittags werden Sozialpädagogen von "fördern und wohnen" vor Ort sein und bei Fragen des täglichen Lebens - wie die Eröffnung eines Kontos - helfen. Allein der Einsatz der Sozialpädagogen kostet pro Jahr rund 110 000 Euro. "Der Sicherheitsdienst wird immer vor Ort sein", betont Michael Neumann. Unklar ist jedoch noch, wo die ehemaligen Sicherungsverwahrten Ende 2012 leben werden, denn die Unterkunft in Jenfeld ist auf ein Jahr befristet. Nebenan wird zurzeit ein Pflegezentrum gebaut. In den Neubau zieht Ende 2012 auch eine Kita ein. Bis dahin muss die Stadt einen neuen Wohnort für die Männer gefunden haben. "Wir suchen parallel nach einer Alternative", sagt die Justizsenatorin.
31 Jahre ist es her, dass Hans-Peter W. innerhalb einer Dreiviertelstunde eine 42-Jährige sexuell misshandelt und eine 30-Jährige vor den Augen ihres eineinhalbjährigen Sohnes vergewaltigt hat. Das Gericht befand damals, dass der Binnenschiffer unter einer "schweren seelischen Abartigkeit" leide. Zehnmal wurde die Sicherungsverwahrung verlängert. In Hamburg lebt der entlassene Sicherungsverwahrte zurzeit unauffällig auf dem Gelände einer Asklepios-Klinik. Doch der Mietvertrag zwischen der Stadt und der Klinik läuft im kommenden Jahr aus. Deshalb braucht Hans-Peter W. eine neue Bleibe. Zuletzt musste der Freiburger nach Anwohnerprotesten innerhalb weniger Monate mindestens dreimal umziehen, war längere Zeit sogar in einem baufälligen Haus ohne Heizung im Niendorfer Gehege untergebracht.
Karsten D. war 1993 angeklagt, mit einem Komplizen neun Jahre zuvor einen Mann zu Tode stranguliert zu haben - nach einem gemeinsamen Saufgelage in St. Georg. Weil das Opfer keinen Alkohol-Nachschub besorgen wollte, hatte der damals 43 Jahre alte Seemann mit seinem Bekannten den Mann verprügelt und dann erdrosselt.