Überraschend hat das Hamburger Landgericht bereits am heutigen Nachmittag das Urteil im Prozess gegen Thomas Drach gesprochen.
Hamburg. Vor zehn Jahren war Thomas Drach bereits wegen der Entführung des Hamburger Millionärs Jan Philipp Reemtsma zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden, nun muss er weitere 15 Monate hinter Gittern bleiben. Wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung verhängte das Hamburger Landgericht am Dienstag eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Sie werde nicht zur Bewährung ausgesetzt, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner in ihrer Urteilsbegründung.
Drach hatte nach Überzeugung des Gerichts in Briefen versucht, einen Freund zur räuberischen Erpressung seines eigenen Bruders Lutz Drach anzustiften. Die Richterin sprach vom Kampf zwischen zwei Schwerstkriminellen um eine Beute, die keinem von beiden zustehe. Für Thomas Drach sei es wichtig gewesen sicherzustellen, dass sein Bruder – von ihm als „die Ratte, der Parasit“ bezeichnet – keinen Cent aus der Beute ausgeben könne.
Bei den Formulierungen in den Briefen handle es sich weder um ein spontanes Dampfablassen noch um impulsive Äußerungen. Erschwerend hat sich laut Taeubner ausgewirkt, dass Thomas Drach seit 1978 vielfach Straftaten beging: „Von Ihnen sind auch in Zukunft kriminelle Taten zu erwarten.“ Die Kammer blieb mit ihrem Spruch dennoch deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von zwei Jahren und sechs Monaten. Taeubner begründete dies unter anderem damit, dass die Tat in einem sehr frühen Stadium gescheitert sei.
Verteidiger: Briefe waren nie ernst gemeint
Drachs Verteidiger Helfried Roubicek hatte zuvor in seinem Plädoyer Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Es habe keine Absicht zur versuchten räuberischen Erpressung gegeben. Die Drach zur Last gelegten Briefe seien ein Ausdruck von „Dampf ablassen“. Das neuerliche Hauptverfahren gegen seinen Mandanten sei ein „Phantom-Prozess“, es habe weder eine Tat noch einen Täter noch ein Opfer gegeben. Drachs Briefe seien nie ernst gemeint gewesen.
+++ Chronologie der Reemtsma-Entführung +++
In seinem Letzten Wort sagte Drach vor dem Gericht, dass „die ganze Sache an den Haaren herbeigezogen“ sei. Wenn er seinen Bruder hätte berauben wollen, hätte er bestimmt nicht seine „arme Mutter“ und einen Elektriker geschickt, „sondern ganz andere“. Mit dem Verfahren habe die Staatsanwaltschaft „irgendeine Information zu dem Lösegeld bekommen wollen“. Der größte Teil des Lösegeldes aus der Reemtsma-Entführung – 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken – ist bis heute verschwunden.
Staatsanwaltschaft prüft Revisionsantrag
Eine mögliche Sicherungsverwahrung kommt nach dem jetzigen Urteil zunächst nicht in Betracht. Allerdings prüft sie Staatsanwaltschaft laut ihrem Sprecher Wilhelm Möller, Revision einzulegen. In seinem Plädoyer hatte Oberstaatsanwalt Karsten Hoffmann die Forderung nach einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren auch mit der Forderung nach Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verbunden.
Hoffmann betonte, dass die geplante Tat so konkretisiert gewesen sei, dass eben jener Freund die räuberische Erpressung an Lutz Drach jederzeit hätte durchführen können, wenn er das denn gewollt hätte. Die teils geständigen Angaben von Thomas Drach seien nicht von Reue und Einsicht gekennzeichnet gewesen, sagte Hoffmann. Straferschwerend ist laut Hoffmann zudem, dass der Angeklagte bereits erheblich und einschlägig vorbestraft gewesen sei.
Am Vormittag hatte Drachs Anwalt Roubicek noch einmal drei neue Beweisanträge gestellt, darunter einen wegen Befangenheit des Sachverständigen. Die Verteidigung forderte einen neutralen Gutachter zur Frage der Schuldfähigkeit und der möglichen Unterbringung Drachs in der Sicherungsverwahrung. Auch wollte Roubicek einen forensischen Linguistiker hinzuziehen, der die Drach zur Last gelegten Briefe begutachten soll. Die Vorsitzende Richterin lehnte jedoch alle drei Anträge ab und schloss die Beweisaufnahme.