Umweltverbände wie der Nabu kritisieren “Luftgütepartnerschaft“ als ungenügend. Betroffene Anlieger sind über die Stickoxid-Werte beunruhigt.

Hamburg. Das Thema Luftverschmutzung in Hamburg hat neuen Wind bekommen. Die angekündigte Senatsinitiative gegen die Stickoxid-Belastung löste zahlreiche Reaktionen aus. Hamburgs Umweltverbände begrüßen zwar den Vorstoß des Senates, gleichzeitig haben der Hamburger Naturschutzbund (Nabu) und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) große Zweifel, dass die geplanten Maßnahmen ausreichen, um die Stickstoffdioxid-Belastung merklich zu senken.

Aus Sicht der Umweltverbände ist die "einzige Möglichkeit, die Stickoxidbelastung an den Straßen schnell und wirksam zu senken, eine deutliche Reduzierung des Individualverkehrs in der Hamburger Innenstadt". Eine Umweltzone lehnt der Senat aber ab.

Wie das Abendblatt berichtete, leben in Hamburg mehr als 220 000 Menschen an Straßen, in denen die Luftkonzentration des gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxids (NO{-²}) deutlich über den europäischen Grenzwerten von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt. Gleich an mehreren Hamburger Messstellen wird dieser Grenzwert um mehr als das Doppelte überschritten.

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Der Senat will mithilfe einer "Luftgütepartnerschaft" Maßnahmen zur Senkung der Werte auf den Weg bringen - darunter den Ausbau der Elektromobilität, der Wasserstoff- und Hybridtechnik. Gemeinsam mit Kreuzfahrtunternehmen soll eine Landstromverbindung für Schiffe vorangetrieben werden. Nach dem Schiffsverkehr ist der Straßenverkehr Hauptverursacher der Stickoxide.

"Eine auf Freiwilligkeit und Fördermitteln beruhende Partnerschaft mit den Unternehmen wird nicht dazu führen, dass der Stickoxidausstoß aus dem Straßenverkehr merklich zurückgeht", sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Auch die Ankündigung, im Privatbereich verstärkt auf Elektromobilität sowie Hybrid- und Wasserstofffahrzeuge zu setzen, ist für den BUND "bestenfalls eine sehr langfristig wirksame Strategie".

Hamburgs Nabu-Chef Alexander Porschke sieht das ähnlich: "Schön, dass der Wirtschaftssenator einen neuen Anlauf für mehr Luftreinhaltung beginnen will. Der Abbruch der Stadtbahnplanung, der Ausweisung einer Umweltzone, der Verzicht auf Citymaut und autofreien Sonntag sowie die bisherige Skepsis gegenüber Landstromanschlüssen für Kreuzfahrtschiffe stehen allerdings für die Gegenrichtung."

Unterstützung bekommen die Umweltverbände jetzt von richterlicher Seite. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat gestern entschieden, dass die Stadt Wiesbaden eine Umweltzone einrichten muss. Die Kläger hatten die zu hohe Feinstaub- und Stickoxidbelastung in der Stadt angeführt und recht bekommen. Die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht galt als deutschlandweites Musterverfahren.

Die Hamburger, die vor Ort von den zu hohen Stickstoffwerten betroffen sind, sehen diese Gefahr bisher nicht.

Die Stimmung der Anwohner in der Maria-Louisen-Straße schwankt zwischen Skepsis und Verunsicherung. "Niemand versteht, wie hier solche Werte zustande kommen sollen", sagt Michael Schreiber vom Feinkostladen Kruizenga. 52,9 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft beträgt hier die Schadstoffbelastung - fast 13 Mikrogramm über Grenzwert. Dass es nicht nur vierspurige Hauptverkehrsstraßen trifft, sondern auch Straßen wie die Maria-Louisen-Straße mit alten Bäumen am Fahrbahnrand und eher lockerem Verkehr, ist für viele Hamburger überraschend. Die betroffenen Anlieger sind angesichts der Zahlen vor allem eins: ratlos. Eigentlich falle ihm auf der Straße nur ein problematischer Punkt ein, sagt Feinkostladen-Betreiber Schreiber: Vorne, mehrere Hundert Meter weiter, wo die Dorotheenstraße kreuzt, gebe es eine Ampelschaltung. "Manchmal staut es sich dann bis hierher."

Wie immer sind es Kleinigkeiten, die aber vor dem Hintergrund der neu ermittelten Werte plötzlich wichtig werden. Inge Köster, 67, wohnt an der Maria-Louisen-Straße und sieht die Eltern des Viertels in der Verantwortung. Tag für Tag erlebt sie mit, wie Mütter und Väter minutenlang vor dem Gymnasium Johanneum stehen und mit laufendem Motor auf ihre Kinder warten. "Da überraschen mich solche Zahlen nicht", sagt sie. Sorgen habe sie sich bisher zwar keine gemacht. "Aber man merkt das ja nicht. Irgendwann wird man krank und weiß nicht, warum."

Dichter ist der Verkehr in der Langen Reihe, ebenfalls eine zweispurige Straße mit vielen Anwohnern. Auf Stühlen und Bänken sitzen Leute vor den Cafés. Taxis fahren in Richtung Hauptbahnhof, Busse drängen sich durch die enge Straße. Immer wieder staut sich der Verkehr hinter einem Auto, das in zweiter Reihe parkt. 70,2 Mikrogramm sind hier gemessen worden - fast das Doppelte des zulässigen Grenzwertes.

Es sind Zahlen, die auch hier manchen Anwohner grübeln lassen. "Das hätte ich nie gedacht", sagt Melanie David, 23, die im zweiten Stockwerk direkt an der Straße wohnt. Nach kurzem Nachdenken nickt sie dann. Nach und nach fallen ihr viele Situationen ein, alltägliche Momente, die sich summieren. Das Parken in zweiter Reihe. Die Lieferwagen, die ihre Ware entladen. Immer wieder stockt der Verkehr, zu kurz für viele, um den Motor auszuschalten. Die Busse zweier Linien fahren hier - und haben laut Hochbahn oft Probleme, durchzukommen.

"In der Wohnung merkt man das schon. Der ganze Staub, der sich ablagert. Da kommt man mit dem Wischen kaum hinterher", sagt ein Anwohner. Andere suchen die Ursachen für die Schadstoffbelastung lieber woanders. Die Touristen, heißt es, brächten die Stickstoffe hierher.