Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus kann sich ungewöhnliche Lösungen für die Schauspielhaus-Intendanz vorstellen.
Hamburg. Nach dem Rücktritt von Schauspielhaus-Intendant Friedrich Schirmer sollen in Hamburg eventuell mehrere Häuser von einem Theaterchef geleitet werden. „Möglicherweise gibt es auch eine Lösung, die selbst einen Sparbeitrag darstellt, indem man vielleicht gemeinsam Dinge erledigt, die bisher von mehreren erledigt worden sind“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) am Donnerstag in einem Interview mit NDR Info. „Das heißt, dass wir uns anschauen, ob möglicherweise ein Intendant für mehrere Theater zuständig sein kann.“ In den vergangenen Jahrzehnten war in der Hansestadt immer wieder die Idee von einer Generalintendanz von Thalia-Theater und Deutschem Schauspielhaus aufgekommen. Diese war allerdings von Theaterleuten heftig kritisiert worden und hatte sich nie durchsetzen können.
Schirmer hatte am Dienstag überraschend das Handtuch geworfen. Er hatte seinen Schritt mit einer „massiven Unterfinanzierung“ des Hauses begründet. Ahlhaus zeigte wenig Verständnis. „Das Theater hängt nicht in der Luft, sondern es hat einen gesicherten Haushalt von knapp 18 Millionen Euro im Jahr. Ich bin schon der Meinung, dass man mit knapp 18 Millionen Euro ein Schauspielhaus in Hamburg führen können muss“, sagte er NDR Info. Er gehe davon aus, dass es trotz der Sparzwänge bei diesem Etat für das Schauspielhaus bleiben werde.
Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) hat währenddessen dem Schauspielhaus am Donnerstag im Interview bei Hamburg 1 eine Bestandsgarantie gegeben, die auch für Thalia-Theater, Kampnagel und die Kunsthalle gelten soll. Kulturpolitik solle aber künftig mehr als bisher aus der Sicht der Bevölkerung gedacht und organisiert werden. "Bei aller Freundschaft zu den Intendanten und Direktoren, ich mache Kulturpolitik nicht, damit die Intendanten glücklich sind, sondern damit das Publikum sind angeregt fühlt und zufrieden ist", sagte Stuth Hamburg 1 und ergänzte: "Es geht nicht um künstlerische Kompetenz. Aus den künstlerischen Fragen wird sich der Staat und die Politik raushalten. Aber wir werden uns schon darum kümmern, wie hinter den Kulissen die Dinge organisiert sind und wie sie effizient gemacht werden können."
So wie der Rücktritt Schirmers in der Theaterszene auf Unverständnis und Kritik stieß, hatte sich auch der Kultursenator davon völlig überrascht gezeigt. Stuth, der noch nicht einmal drei Wochen im Amt ist, sagte dem Magazin NDR Kultur nach der Rücktrittsmeldung: „Ich war, als Herr Schirmer das erste Mal mit mir darüber sprach, vollkommen sprachlos.“ Schirmer hatte Stuth am Dienstag gebeten, den Vertrag zum 30. September aufzuheben. Stuth sagte, er werde nun erst einmal mit den führenden Vertretern des Schauspielhauses und anderer Hamburger Theater sowie Fachleuten außerhalb Hamburgs sprechen, um zu sehen, wie es weitergehen könne . Dies werde noch einige Zeit dauern.
Der Intendant des Hamburger Thalia-Theaters, Joachim Lux, äußerte sein Bedauern über den „überstürzten Rücktritt“ Schirmers. „Ich kann ihn mir nur so erklären, dass ihm die ökonomischen Schwierigkeiten des Schauspielhauses offenbar unüberwindbar schienen“, sagte Lux. Tatsächlich gerieten immer mehr Kulturinstitute in Hamburg in die Schraube von latenter Unterfinanzierung plus drohenden neuen Sparvorgaben. „Ich muss allerdings auch sagen, dass ich mich mit den vielen Rücktritten in der letzten Zeit schwertue, denn es gibt immer auch eine Verantwortung für die Mitarbeiter, die man zurücklässt.“ Lux warnte davor, zu glauben, man könne mit einer Schließung des Schauspielhauses Geld sparen. „Was nottut, ist eine Unterstützung der Kultur seitens der Politik, was vor allem bedeutet: eine solide Finanzierung.“
+++ Schauspielhaus-Chef wirft hin: Vorhang zu - alle Fragen offen +++
Der Vorgänger von Lux, Ulrich Khuon, inzwischen Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, zeigte sich im Gespräch mit NDR Kultur „geschockt“. Er kenne keinen Fall, dass ein Intendant seinen Rücktritt mit einer Frist von nur zwei Wochen angekündigt habe. Khuon sagte: „Das ist für ein Haus eigentlich eine Katastrophe, zumal ja davon auszugehen ist, dass auch zum Ende dieser Spielzeit kein neuer Intendant zu finden ist für das Deutsche Schauspielhaus.“ Für Frank Baumbauer, von 1993 bis 2000 selbst Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, sind die Auseinandersetzungen um die Theaterfinanzen Teil des Berufs. „Meiner Meinung nach kann man nicht einfach das Handtuch werfen“, sagte der 65-Jährige am Mittwoch. „Man muss mit Problemen umgehen können und wenn, dann einen fairen Schnitt zum nächstmöglichen Termin suchen.“ Seiner Meinung nach handelte Schirmer überstürzt. „Er hat die Nerven verloren“, sagte Baumbauer. Das Schauspielhaus habe nun handfeste Probleme. „In letzter Zeit hat es viele Intendantenwechsel gegeben“, sagte er. Die guten und interessanten Kandidaten seien gut positioniert und nicht mehr frei.
Intendant Friedrich Schirmer: Talentförderer und Schützer
Der Intendant des Frankfurter Schauspiels, Oliver Reese, sagte: „Für einen so plötzlichen Rücktritt wie den Friedrich Schirmers von der Intendanz eines der schönsten Theater Deutschlands fehlt mir das Verständnis.“ Fortschreitende Etatkürzungen und nicht eingehaltene Finanzzusagen zu bekämpfen, auch mit unbequemen Maßnahmen, sei die Aufgabe eines Intendanten. Reese: „Ich bin dann mal weg, das geht nicht so einfach. Nicht so kurzfristig, unvermittelt und kommentarlos. Ein Ensemble und ein Publikum stehen jetzt allein da. Ich versteh das nicht.“
Dagegen äußerte der Deutsche Bühnenverein Verständnis. „Es ist ein Signal dafür, wie sehr die künstlerische Leitung an den Bühnen zunehmend durch finanzielle Diskussionen zermürbt wird“, sagte Direktor Rolf Bolwin der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch in Köln. Auch in anderen Städten müsse ständig über Geld diskutiert werden, „obwohl das eigentlich nicht Aufgabe eines Intendanten ist, der ja die künstlerische Verantwortung trägt.“