Nicht nur Kleist, auch der Regisseur Hoffmann scheiterte am Fragment “Robert Guiskard“ im Hamburger Schauspielhaus.

Hamburg. Im Theater kann es passieren, dass eine gute Aufführung ein schlechtes Stück rettet. Umgekehrt kann eine schlechte Aufführung ein gutes Stück ruinieren. Der kuriose Ausnahmefall, dass ein ohnehin verunglücktes Stück durch eine verunglückte Aufführung völlig danebengeht, ist im Schauspielhaus zu besichtigen. Intendant Frank Hoffmann hat im vorauseilenden Ehrgeiz zum 200. Todestag Heinrich von Kleists 2011 dessen Fragment "Robert Guiskard" in Koproduktion mit dem Schauspielhaus für seine Ruhrfestspiele in Recklinghausen inszeniert. Das Malheur in der Starbesetzung mit Wolfram Koch als Dichter und Thomas Thieme in der Titelrolle hatte nun Hamburg-Premiere.

Kleist wollte in seinem Drama um den normannischen Heerführer Robert Guiskard die antike Tragödie erneuern und scheiterte. Genau wie Hoffmann, der es aus der Versenkung holte. Er zeigt im Prolog den mit sich und seinem Werk hadernden Dichter. Wolfram Koch stammelt die Verse, trinkt in seiner Verzweiflung die Tinte und verbrennt das Manuskript. Tatsächlich so geschehen in Paris 1803.

Kaum ist das Manuskript verkohlt, lodern Flammen in den Schalen auf Stefan Mayers nachtdunkler Bühne auf. Die Pest herrscht in Guiskards Feldlager vor Konstantinopel. Das Volk und die Soldaten fürchten, der Anführer in seinem Zelt sei erkrankt. Das Warten auf ihn und seine Hilfe, das Gezänk um die Krone zwischen seinem Sohn, dem Neffen Abälard und Tochter Helena bestimmen die zäh sich hinziehende Textdeklamation. Als weiser Mann mit weißem Haar in schmutzig weißem Knitterleinen, gibt Matthieu Carrière die Stimme der Vernunft: eine Art sehender Tereisias, noch im Elend elegant.

Unfreiwillige Heiterkeit bringt Irene Kuglers stumm staunender Auftritt im Brokatkleid als Guiskard-Gattin in die zuweilen hilflose Schauspielerei. Oder Kleists Bemerkung, dass er sich vom Unterricht in vollkommener Deklamation eine ungeheure Wirkung verspreche. Die bleibt Hoffmann in seinem pathetischen Aufsagetheater schuldig. Vergebens versucht er der Parabel auf die (selbst)zerstörerischen Kräfte von kriegerischen und politischen Machtkämpfen mit Live-Video-Füllern, einem illustrierenden Soundtrack und Passagen aus Joseph Conrads Erzählung "Herz der Finsternis" einen aktuellen Anstrich zu verleihen.

Auch Thomas Thiemes Auftritt als grimmiger Despot vom Dienst kann diesen Abend des permanenten Wasser- und Wortgeplätschers nicht retten. Er steht da wie ein Klotz. Schwankt schwerfällig wie ein morscher Baum. Die Inszenierung bekommt für Momente ein Zentrum mit dem bestialischen, grimassierenden Machtmonster. Auch Wolfram Kochs Autor Kleist, der die Uniformjacke mit dem Rock des intriganten Neffen Abälard tauscht, versucht die Aufführung mit einer angestrengten Intensität aus der Lähmung hochzustemmen.

Immerhin reißt er einen Zuschauer im lückenhaft besetzten Parkett zu Bravos hin. Mit seiner lautstark wiederholten Behauptung musste der einsame Rufer wohl sich zu allererst überzeugen. Als das Inszenierungsteam auf der Bühne erscheint, erstirbt der matte Applaus sachte. Das von den eineinhalb Stunden gelangweilte Premierenpublikum wollte sich nicht einmal mehr zu einem Buh-Konzert aufraffen. Das ist der wahre Tod des Theaters: Wenn die Zuschauer nicht Mitleid für die Figuren empfinden, sondern nur mehr Erbarmen mit den Schauspielern.

Matthieu Carrière hat in einem Interview über die Inszenierung zu Protokoll gegeben, Kleist sei wie ein Werkzeugkasten, aus dem man sich bedienen könne. Im Fall "Robert Guiskard" ist das Ergebnis eine klägliche und entbehrliche Bühnen-Bastelei. Sie beweist einmal mehr, dass es sich nicht lohnt, den Dichtern in ihr Handwerk zu pfuschen.

Robert Guiskard: 5. und 15.9, 20.00, Schauspielhaus, Karten-Telefon: 24 87 13

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