Altkanzler Helmut Schmidt war bei einer Konferenz im Hamburger Michel berührt - hier hatte er kürzlich Abschied von seiner Frau genommen.
Hamburg. Knapp sechs Wochen nach der Trauerfeier für seine verstorbene Ehefrau Loki Schmidt ist Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) an den Ort des Abschieds zurückgekehrt. Bei der "Zeit“-Konferenz "Deutsches Wirtschaftsforum“ in der Hauptkirche St. Michaelis, dem berühmten Hamburger Michel, zeigte sich der 91-Jährige sichtlich berührt: "Ich möchte vorweg mein Unbehagen über diese vorübergehende Profanierung des Kircheninnenraumes zum Ausdruck bringen“, sagte Schmidt zu Beginn der Veranstaltung. Die Trauerfeier für Loki Schmidt hatte am 1. November in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und zahlreichen Ehrengästen aus Politik und Gesellschaft im Michel stattgefunden. Wenige Tage zuvor, am 21. Oktober, war die Hamburger Ehrenbürgerin in ihrem Zuhause im Stadtteil Langenhorn im Alter von 91 Jahren gestorben.
Helmut Schmidt hatte am zweiten "Deutschen Wirtschaftsforum“ teilgenommen und bei der Eröffnung mit "Zeit“-Herausgeber Josef Joffe über aktuelle Entwicklungen in der Wirtschaft und Politik diskutiert. Dabei verwies der Altkanzler auch auf die Rolle der Politik in den Medien. Wenn einem nichts mehr einfalle, mache man eine Talkshow, sagte der 91-Jährige. Auf Joffes Antwort, dass er gerade Teil einer solchen Talkshow sei, sagte Schmidt schmunzelnd: "Ich fühle mich von euch vergewaltigt und bin ja nicht freiwillig hier.“ Schmidt ist seit 1983 Mit-Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit“.
Während der Konferenz kritisierte Schmidt die "anfangs außerordentlich zögerliche“ Solidarität von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem in die Krise geratenen Griechenland kritisiert. Deutschland sei heute die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und sei gegenwärtig neben China die einzige Nation, die einen Exportüberschuss von fünf Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschafte, erklärte Schmidt. Zudem sei die Bundesrepublik die sozial- und finanzpolitisch leistungsfähigste Nation unter den großen Volkswirtschaften. Aus diesem Grund müsse Deutschland mehr helfen als weniger leistungsfähige Nachbarn.
Griechenland war das erste Mitglied der Eurostaaten, das in einer Milliardenanstrengung von Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vor dem Staatsbankrott bewahrt werden musste. Im Mai wurde ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro geschnürt. Mit einer frühzeitigen Solidarität mit Griechenland hätte Deutschland ein Signal setzen können, sagte der Altkanzler. Man hätte seine grundsätzliche Hilfsbereitschaft damit zum Ausdruck gebracht. Dass viele Staaten mittlerweile nicht gut auf Deutschland zu sprechen seien, sei die Konsequenz der "etwas übertriebenen Rechthaberei“ der Deutschen und der "außerordentlich voluminösen Exportüberschüsse“ der Bundesrepublik.
Die Einführung des Euro bezeichnete der 91-Jährige als letzten Schritt auf dem Weg eines schrittweisen Aufbaus der europäischen Gemeinschaft. Die früheren Währungen in der europäischen Gemeinschaft aufgrund der Finanzkrise wieder einzuführen, wies Schmidt als "Pläne von hoch intelligenten, aber leider nicht klugen Journalisten“ zurück.