Die Christdemokraten kürten den amtierenden Bürgermeister einstimmig zum Kandidaten für die vorgezogene Bürgerschaftswahl.

Hamburg. Trotz miserabler Umfragewerte zieht die CDU Hamburg optimistisch mit Bürgermeister Christoph Ahlhaus an der Spitze in den Wahlkampf für die vorgezogene Bürgerschaftswahl. Nach dem Ausstieg der Grünen aus Deutschlands erster schwarz-grüner Landesregierung nominierten die Christdemokraten am Dienstagabend den 41-Jährigen auf einem Landesausschuss einstimmig zu ihrem Spitzenkandidaten. Sowohl Ahlhaus als auch CDU-Chef Frank Schira griffen die SPD und deren designierten Spitzenkandidaten Olaf Scholz scharf an. Sie kritisierten aber auch die GAL vor rund 300 Parteimitgliedern und Gästen als unanständig. „Ich halte es für verantwortungslos, ein funktionierendes Bündnis zu verlassen, nur weil es gerade mal ein paar schwere Wochen gibt“, sagte Schira.

Die Grünen hatten Ende November nach gut zweieinhalb Jahren die Koalition von CDU und GAL einseitig aufgekündigt. Eine Neuwahl des Parlaments ist nun für den 20. Februar 2011 geplant, wobei die Umfragewerte für die CDU derzeit alles andere als gut aussehen. Während die Christdemokraten seit dem Aus von Schwarz-Grün auf unter 30 Prozent abstürzten, erleben Grüne und SPD einen Höhenflug. Aber auch im direkten Vergleich liegt Ahlhaus, der nach dem Rücktritt von Ole von Beust seit gut 100 Tagen im Amt ist, weit hinter seinem Herausforderer Scholz zurück.

„Entweder Innovation und Wachstum mit der CDU oder Ideologie und Rückschritt unter Rot-Grün“, nannte Ahlhaus die Alternativen der kommenden Bürgerschaftswahl. Er erinnerte daran, dass Scholz schon einmal als Innensenator in Hamburg Verantwortung getragen habe. Das Ergebnis seien Angst und Schrecken in der Hansestadt gewesen, Hamburg sei damals Kriminalitätshauptstadt gewesen. Den Schulen fehlten Lehrer. Schleusen, Straßen und Brücken seien heruntergekommen gewesen. „Es herrschte roter Filz, wohin man guckte“, sagte Ahlhaus.

Ahlhaus griff aber auch Scholz direkt an: „Als SPD-Generalsekretär abgesetzt, als Bundesminister abgewählt. Das ist keine Lichtgestalt, dieser Olaf Scholz. Er ist kein Dohnanyi oder Voscherau. Da kommt ein Olaf Scholz, der in Berlin abgewirtschaftet hat“, rief Ahlhaus im Bürgerhaus Wilhelmsburg den begeisterten Anhängern zu. Er glaube Scholz zwar, dass er selbst mit den Linken keine Koalition eingehen wolle. „Wenn das aber die einzige Machtoption der Sozialdemokraten ist, dann werden sie diese Option auch nutzen.“ Wenn es dann nicht Scholz mache, mache es eben ein anderer.

Hamburgs Bürgermeister Ahlhaus räumte auch Fehler ein. So habe sich die CDU schon bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen

2008 nicht ausreichend durchgesetzt. „Man darf nicht gegen seine eigenen Überzeugungen aus strategischen Gründen Politik machen. Das holt einen immer wieder ein“, sagte Ahlhaus. Beispielsweise seien elementare Positionen der CDU in der Schulpolitik aufgegeben worden. Das werde es nicht mehr geben, kündigte er in seiner gut einstündigen Rede an. „Wer mich zum Bürgermeister wählt, kann sicher sein, die Primarschule ist vom Tisch.“

Mit Blick auf die derzeit wieder steigenden Steuereinnahmen kündigte er zudem an, die Kita-Gebührenerhöhungen so bald wie möglich wieder zurücknehmen zu wollen. „Gleiches gilt für die Streichung desWeihnachtsgeldes“ für Beschäftigte des öffentlichen Diensts, ergänzte Ahlhaus. Er wolle nichts versprechen, „aber ich sage auch ganz deutlich, wenn es die Haushaltslage hergibt, und nach allen Prognosen wird es sie hergeben nach der Mai-Steuerschätzung, dann sind diese beiden Dinge wieder vom Tisch.“

CDU-Chef Schira forderte jene, die sich in der Initiative „Wir wollen lernen“ erfolgreich gegen die Schulreform gestemmt hatten, auf, sich nun bei der CDU einzubringen. Er warnte: „Eine Zersplitterung des bürgerlichen Lagers hilft in der Regel immer nur den Linken.“ Der Sprecher der Initiative, Walter Scheuerl, hatte in der Vergangenheit angekündigt, möglicherweise mit einer eigenen Partei bei der Bürgerschaftswahl anzutreten.

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Die CDU will mit Ahlhaus nach vorn blicken

Wenn die Christdemokraten heute Abend im Bürgerhaus Wilhelmsburg zusammenkommen, um Bürgermeister Christoph Ahlhaus zu ihrem Spitzenkandidaten zu küren, dann steht die Losung fest: innerparteiliche Harmonie, Versöhnung mit der Stammwählerschaft und die Betonung eigener Erfolge.

"Die gesamte CDU ist sehr solidarisch - mit dem Bürgermeister und der Parteiführung", sagt Partei- und Fraktionschef Frank Schira im Gespräch mit dem Abendblatt. Bei Besuchen in Ortsverbänden habe es immer wieder viel Applaus für Ahlhaus gegeben. Die Stimmung sei nach der Aufkündigung des schwarz-grünen Bündnisses durch die GAL kämpferisch. "Das Motto ist: Jetzt geht's los", glaubt Schira.

Von dem Parteikonvent verspricht sich der Landeschef einen "Beweis der Geschlossenheit" in einer für die Union schwierigen Phase. In der Abendblatt-Umfrage sackte die Senatspartei in der vergangenen Woche auf 28 Prozent ab. Die Tagesordnung sieht zwar eine Rede von Ahlhaus vor, aber keine Aussprache über die prekäre Lage der CDU. Für Schira ist das kein Problem. Der Parteitagspräsident werde Wortmeldungen ermöglichen. "Es wird keine Aussprache gescheut", so Schira.

Wenn auch keine ernsthafte Diskussion über den Spitzenkandidaten oder die Politik der CDU-geführten Senate auf dem Parteitag zu erwarten ist, gibt es intern durchaus Kritik - zum Beispiel an der Reaktion auf den Koalitionsbruch. Dass Ahlhaus und Schira der GAL unmittelbar nach der Trennung am vorvergangenen Sonntag mit leicht beleidigter Miene "Flucht aus der Verantwortung" vorhielten, betrachten viele CDU-Mitglieder noch als nachvollziehbaren "Reflex".

Die Enttäuschung über die Grünen, die den Rücktritt von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) und die Festlegung der CDU auf seinen Nachfolger Rüdiger Kruse zunächst sogar begrüßt, dann aber als Anlass für den Ausstieg genannt hatten, ist in der Union weit verbreitet.

Dass der Bürgermeister in den folgenden Tagen aber immer stärker der GAL und dort vor allem der früheren Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk vorhielt, ihre Behörde sei für viele Probleme der Koalition - Winterchaos, Schlaglöcher, Baustellenkoordination, Wohnungsbau - verantwortlich gewesen, werten etliche CDU-Mitglieder als übertriebenes Nachtreten.

"Wir sollten uns nicht zu lange mit Ursachenforschung aufhalten, sondern nach vorn schauen und der Stadt ein Angebot machen", sagt ein Abgeordneter. Das sei auch die Erwartung an Ahlhaus und Schira - dass sie in ihren Reden die inhaltliche Positionierung der CDU deutlich machen.

Nach dem ersten Schock hat sich sogar ein Gefühl der Befreiung in der Partei breitgemacht. "Endlich können wir sagen, was wir denken, und müssen nicht mehr Rücksicht auf den Koalitionspartner nehmen", sagt eine CDU-Frau. Auch Schira hat beobachtet, dass der Koalitionsbruch auch als "befreiend" erlebt worden ist. Das gelte zum Beispiel für die Themen Schulreform oder Stadtbahn. "Das wird bei unserer Kernklientel zu Mobilisierung führen", sagt der Parteichef.

Wie von Ahlhaus angekündigt, will die Union mit "CDU pur" punkten und sich so mit ihrer Stammwählerschaft versöhnen. Als sicher gilt, dass das Thema Wirtschaft weit oben auf der Wahlkampf-Agenda stehen wird. Ohne Rücksicht auf die Grünen kann sich die CDU freier für den Bau der Y-Trasse (Bahnverbindung Hannover-Bremen-Hamburg), den Weiterbau der A 26 (Stade-Hamburg), die Hafenquerspange (Verbindung von A 1 und A 7) und natürlich die Elbvertiefung einsetzen.

Allerdings taugen solche Themen kaum, um scharenweise Wähler für die CDU zu mobilisieren, zumal es kaum Unterschiede zu der traditionell wirtschaftsfreundlichen Hamburger SPD gibt. Auch bei den Themen Haushaltskonsolidierung und Bildung lassen sich kurzfristig schwer positive Nachrichten setzen. Bleibt noch die Hoffnung, dass das "Kümmerer"-Image des Bürgermeisters doch noch verfängt.

Erfahrene Partei-Haudegen wie Landesvorstandsmitglied Ralf-Dieter Fischer geben sich angesichts des Umfragerückstands von 17 Prozentpunkten auf die SPD zudem betont gelassen: "Ich habe in 38 Jahren 33 Wahlen mitgemacht, und es war oft verblüffend zu sehen, wie Prognosen danebenliegen können. Das ist in drei Monaten noch umkehrbar." Eine Bedingung, die in den vergangenen Wochen nicht immer beachtet wurde, macht Fischer aber: "Wir dürfen keine Fehler mehr machen."