Ole Keding, 31, ist Politikwissenschaftler an der Uni Hamburg.
Hamburger Abendblatt:
1. Kann Bürgermeister Christoph Ahlhaus das Winterwetter, das wir zurzeit in Hamburg haben, für sich nutzen und seine schlechten Umfragewerte verbessern?
Ole Keding:
Nein, das glaube ich nicht. Wir haben ja einfach nur kalte Witterung und keine Wetterkatastrophe. Kaltes Wetter ist im Winter eher die Regel und erfordert daher kein Eingreifen der Politik.
2. Wie könnte Ahlhaus denn eine Winterwetterlage für seine politischen Ziele nutzen?
Keding:
Die Erfahrung hat gezeigt, dass es Fälle von Wetterkatastrophen gibt, bei denen Krisenmanagement gefragt war. Hat ein Politiker diese Krise erfolgreich in die Hand genommen, wurden dadurch schon Wahlen gewonnen. Das war zum Beispiel beim Oder-Hochwasser 2002 für Gerhard Schröder der Fall. Das Hochwasser hat nachweislich zur Wiederwahl Schröders beigetragen. Das sind Notlagen, die Politikern helfen, in Aktion treten zu können, ganz natürlich, ohne künstliche Ereignisse produzieren zu müssen.
3. Der Bürgermeister hat am Freitag in Hamburg einen Bunker offiziell für Obdachlose als Unterkunft freigegeben. Ist das reine politische PR?
Keding:
Das ist wunderbar, dass Ahlhaus als Bürgermeister vor Ort war. Wenn er so etwas ohne Presserummel machen würde, wäre es glaubwürdiger. So wirkt es wie eine PR-Aktion, als Mittel zum Zweck. Die Frage, die sich mir da stellt, ist: Warum wird so etwas nicht grundsätzlich gemacht, Obdachlose vor der Kälte zu schützen?
4. Kommen solche Aktionen bei den Wählern gut an oder ist das für sie reine Symbolpolitik?
Keding:
Manchmal nimmt der Wähler den Politikern so etwas ab - wenn die Aktion zur politischen Linie der Person passt. Das kann Sympathien generieren. Aber der Wähler ist skeptischer geworden. Einen Bunker für Obdachlose freizugeben, das nimmt man Ahlhaus nicht ab. Er ist ja bisher nicht gerade als Sozialpolitiker in Erscheinung getreten. Erst gibt es Diskussionen über die teuren Sicherheitsvorkehrungen an seiner Villa, dann zeigt er sich in Brokat und Plüsch mit seiner Frau in einer Illustrierten, und eine Woche später setzt er sich für Obdachlose ein. Das ist doch unglaubwürdig.
5. Wenn am Tag der Wahl im Februar schlechtes Wetter in Hamburg herrscht, kann das den Wahlausgang beeinflussen?
Keding:
Sicherlich. Es gibt Untersuchungen, wonach schlechtes Wetter am Wahltag den regierenden Parteien eher schadet. Warum das so ist, weiß man nicht genau.