Von der höheren Kita-Gebühr sind deutlich mehr Familien betroffen als der schwarz-grüne Senat im April versprochen hatte. Die Opposition läuft Sturm.
Hamburg. Die Oppositionsparteien sind auf Zinne. Nachdem das Hamburger Abendblatt in seiner Freitag-Ausgabe berichtete, dass offenbar deutlich mehr Eltern künftig für die Kita-Betreuung ihrer Kinder rund 20 Prozent mehr zahlen müssen als bisher, fanden SPD und FDP am Freitag klare Worte. "Dem Senat kann man nichts mehr glauben", sagte die sozialpolitische Sprecherin der FDP, Martina Kaesbach . Die SPD-Sozialexpertin Carola Veit meinte, die Koalitionsfraktionen von CDU und Grüne hätten "offenbar jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren".
Senat und Bürgerschaft hatten im März eine Erhöhung der Kita-Gebühren um bis zu 100 Euro beschlossen. Seinerzeit wurde allerdings betont, lediglich einige wenige, besonders wohlhabende Eltern müssten den neuen Höchsatz zahlen. Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) erklärte im April , dass gerade einmal "fünf Prozent der Eltern" von der Steigerung betroffen seien. GAL-Fraktionschef Jens Kerstan meinte gar, es werde lediglich drei Prozent der Eltern treffen.
Inzwischen entpuppen diese Voraussagen sich als krasse Fehleinschätzung. Wie Abendblatt-Anfragen in den Bezirken ergaben, liegt die tatsächliche Zahl der Höchstsatz-Zahler um ein Vielfaches höher . In Bergedorf sind es nach derzeitigem Stand etwa 17 Prozent, in Nord gar 29 Prozent. Diese Zahlen könnten leicht sinken, weil die Eltern noch vier Wochen Zeit haben, ihre Einkommensnachweise einzureichen. Peter Hansen, Sprecher im Bezirksamt Nord, erwartet aber keine gravierenden Änderungen mehr. Aus den anderen fünf Bezirken gibt es noch keine Angaben. Stichtag für die Erhöhung ist der 24. August.
Veit bezeichnete die Politik von Schwarz-Grün als "familienfeindlich", die der Vereinbarkeit von Familie und Beruf schade. "Das ist Politik von gestern." Die SPD-Politikerin verwies auf die besonders schwierige Situation für Eltern, die behinderte Kinder haben. Hier begänne die Beitragserhöhung bereits bei "Eltern mit niedrigem Einkommen", zitiert Veit die Senatsdruckssache. Insgesamt seien allein in diesem Bereich 1800 behinderte Kinder bzw. ihre Eltern betroffen. Die liberale Sozialpolitikerin Kaesbach warf dem Senat vor, er habe "gerade bei der Kinderbetreuung die Bürger mehrfach hinters Licht geführt". Der "kassierte Anspruch auf einen Betreuungsplatz ab zwei Jahren als gebrochenes Wahlversprechen bildete bisher den Höhpunkt", sagte Kaesbach.
+++ DAS SAGEN BETROFFENE +++
+++ KITA UND STEUERN - HAMBURG UND DAS UMLAND IM VERLGEICH +++
In der zuständigen Sozialbehörde zeigte man sich überrascht. Die im April prognostizierten drei bis fünf Prozent Spitzenzahler seien Schätzungen anhand der Eltern gewesen, die bislang aufgrund ihrer Einkommensnachweise den Höchstsatz bezahlt hatten, sagte Sprecherin Julia Seifert. "Mit solchen Hochrechnungen kann man immer danebenliegen." Sie nannte die Zahlen wenig aussagekräftig. Jetzt sei abzuwarten, wie es aussehe, wenn alle Einkommensnachweise ausgewertet seien. Für den Sozialsenator Dietrich Wersich kommen die jetzt vorliegenden Zahlen zur Unzeit: Wersich hatte erst am Donnerstag öffentlich gemacht, dass er sich für den Fall des Rücktritts von Ole von Beust die Übernahme des Bürgermeisteramts "grundsätzlich vorstellen" könne.
Mit der Gebührenerhöhung wird die Kita in der Regel für Familien teurer, deren Nettoeinkommen mehr als 3000 Euro beträgt: Und zwar in 20 Stufen jeweils um 5 Euro für jede 50 Euro, die Eltern über dieser Grenze verdienen. Lag der Höchstsatz bislang bei 396 Euro, werden jetzt maximal 496 Euro fällig. Hinzu kommt für alle Kita-Eltern aber noch das erhöhte Essensgeld. Das wurde bereits Mitte Mai pauschal angehoben, im Krippen- und Elementarbereich von 13 auf 21 Euro, im Hort sogar auf 42 Euro pro Monat.