Siemens in Hamburg baut sein Geschäft mit Umspannwerken auf hoher See aus. Dafür braucht das Unternehmen Fachkräfte im Bereich Windkraft.
Hamburg. Mit Elektronik hatten der Schiffbauer Christian Schmitt, 43, und der Seemann Martin Claus, 41, früher eher am Rande zu tun. Nun aber steht elektrischer Strom für die beiden Männer im Zentrum ihres Berufslebens, und das auch noch in Hochspannungsform. Schmitt baut in Hamburg für Siemens einen neuen Geschäftsbereich auf. Claus ist einer seiner bislang 180 und künftig mehr als 300 Mitarbeiter. Die neue Mannschaft entwickelt und vermarktet Spezialanlagen, ohne die Windparks auf See nicht einsatzfähig wären. Auf Umspannplattformen, riesigen Transformatoren, soll der Strom aus künftig Tausenden Windturbinen in der Nordsee und in der Ostsee gesammelt und für die Einspeisung in die Netze an Land präpariert werden.
Für die neuen Großanlagen gibt es technologisch kaum Vorbilder. Das gilt vor allem für die sogenannten HGÜ-Plattformen. Sie sollen eingesetzt werden, um Strom von Windparks an Land zu bringen, die weiter als 60 Kilometer von der Küste entfernt liegen. Um die Übertragungsverluste so gering wie möglich zu halten, hat Siemens einen neuen Anlagentyp entwickelt, der den Strom als Gleichstrom in das Anschlusskabel einspeist. An Land wird er wieder in Wechselstrom umgewandelt und so in das Hochspannungsnetz übertragen. "Konverterplattformen auf See erfordern eine besonders hohe Qualität, etwa in der Beschichtung", sagt Schmitt. "Sie dürfen vor allem in den elektrisch sensiblen Bereichen 20 Jahre und länger schon aus Sicherheitsgründen nicht rosten. Auf See kann man die Beschichtung gegen Korrosion mit vertretbarem Aufwand nicht erneuern."
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Um solche Anlagen zu entwickeln, ihren Bau zu überwachen und sie schließlich zu installieren, brauchtSiemens eine komplett neue Truppe von Fachleuten. Angesiedelt ist der Geschäftsbereich in der Hamburger Zentrale des Konzerns für Norddeutschland. Von der Hansestadt aus wird auch das weltweite Geschäft von Siemens mit Windturbinen gesteuert. Die Einheit für die Umspannplattformen agiert aber eigenständig davon. Ihre Kunden sind Netzbetreiber wie TenneT oder50Hertz, die für den Anschluss von Meereswindparks an die Landstromnetze verantwortlich zeichnen.
Obwohl die Anschlussarbeiten von Offshore-Windparks derzeit noch stocken, sucht Schmitt unter hohem Zeitdruck Experten. 120 Stellen muss er noch besetzen, mit Konstrukteuren für die Entwicklung der mehrere Tausend Tonnen schweren Plattformen, mit Fachleuten für die Bauüberwachung, aber auch mit Kaufleuten und mit Spezialisten für Arbeitssicherheit. "Wir suchen weltweit und gezielt auch in Norddeutschland", sagt Schmitt.
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Mit dem Ausbau der Windkraftbranche aufs Meer hinaus wächst im Norden eine komplett neue Industrie heran. Klassischer Schiffbau mischt sich mit Hochspannungselektrik und Seefahrt. Schmitt arbeitete früher unter anderem bei der Kieler Werft HDW im U-Boot-Bau, Claus fuhr als Offizier zur See, etwa auf Schwergutschiffen der Reederei Briese in Leer. "Die einen sagen, wir bauen ein Kraftwerk auf dem Wasser, die anderen nennen es ein Schiff ohne Hauptmaschine", sagt Claus zur Beschaffenheit der Umspannplattformen. "Beides stimmt ein bisschen, ist aber doch nicht ganz richtig. Hier entsteht ein völlig neuer Anlagentyp für den Einsatz auf See." Claus ist vor allem für nautische Fragen bei der Errichtung der Anlagen auf dem Meer zuständig.
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Der Bau der Plattformen bringt dem angeschlagenen deutschen Schiffbau einen wichtigen Schub. Drei der besonders komplexen HGÜ-Anlagen lässt Siemens von der Doppelwerft Nordic Yards in Wismar und in Rostock-Warnemünde bauen. Eine Sammelplattform für Wechselstrom baut die Rendsburger Nobiskrug-Werft. Den Auftrag für eine geplante fünfte Anlage will Siemens demnächst vergeben. Allein in der deutschen Nord- und Ostsee werden bis 2020 wohl 20 Umspannanlagen gebraucht. In Großbritannien erwartet die Branche für die absehbare Zukunft einen Bedarf von 80 Anlagen. "Wir müssen die eher gröbere Herangehensweise beim Stahlbau auf Werften mit den feineren Anforderungen an die Elektronik aus der Siemens-Welt verbinden und arbeiten vor allem mit Werften, die Erfahrung im Yachtbau oder im Spezialschiffbau haben", sagt Schmitt.
Hoffnung besteht deshalb wohl auch für manchen früheren Mitarbeiter der Hamburger Werft Sietas. Das Unternehmen meldete im November Insolvenz an, rund 250 von zuvor 700 Schiffbauern wechselten in eine Transfergesellschaft. Sietas selbst will mit dem Bau von Spezialschiffen für die Offshore-Windkraftindustrie seine Zukunft sichern, doch bietet das nicht allen Ehemaligen eine Perspektive. Der Bedarf an Spezialisten bei Siemens kommt da gerade recht. "Wir führen intensive Gespräche auch mit früheren Sietas-Mitarbeitern", sagt Schmitt.