Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie plädiert für getrennte Währungszonen in Nord- und Südeuropa.
Ich bekenne mich schuldig: Ich war ein überzeugter Anhänger des Euro. Natürlich wusste ich damals schon um die Risiken, jedoch erschienen mir die von Finanzminister Waigel durchgeboxten Sicherungen als ausreichend. Die Vorteile lagen für mich weniger im Wegfall des Hantierens mit unterschiedlichen Währungen, sondern im Zwang zur Haushaltsdisziplin, denn dieser würde es auch den deutschen Sozialpolitikern schwerer machen, sich weiter zu Lasten unserer Kinder zu profilieren. Das Regelwerk des Euro würde auf die Politik ähnlich stabilisierend wirken wie das Grundgesetz, das Bundesverfassungsgericht und die Bundesbank.
Schon bald jedoch kam ich über meinen Euro-Enthusiasmus ins Grübeln. Zuerst 2001, als Gerhard Schröder ein nicht regelkonformes Rekorddefizit vorlegte, ohne sich auf „Finanzkrisen“ oder andere Ausreden berufen zu können. Als er dann, zusammen mit Jacques Chirac, EZB-Vorbehalte beiseite schiebend, die Aufnahme Griechenlands in den Euroverbund erzwang und das Brüsseler Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich abwürgte, überkamen mich ernsthafte Zweifel. Hätte ich gewusst, wie die Politik mit ihren eigenen Vorgaben umgeht, hätte ich mich als BDI-Präsident nicht, die Vorbehalte der schweigenden Mehrheit meiner Verbandsmitglieder ignorierend, für den Euro stark gemacht. Heute weiß ich, es war ein Fehler.
Auch das 147-Milliarden-Gesetz zur Stützung des Euro, morgens durch den Bundestag, nachmittags durch den Bundesrat gepeitscht, am nächsten Morgen hastig vom Bundespräsidenten (der 48 Stunden später zurücktrat) abgesegnet, hat den Euro nicht stabilisiert, sondern weiter auf Talfahrt geschickt. Das allein muss nichts heißen, ist der Euro gegenüber dem US-Dollar heute immer noch stärker als bei seiner Einführung. Auch ist, kurzfristig jedenfalls, nicht mit einer stark steigenden Inflationsrate zu rechnen. Die Katastrophe liegt im Wandel von einer Währungs- zu einer Transferunion, die den deutschen Steuerzahler für andere EU-Länder nun in Mithaftung nimmt.
Die Kanzlerin ist für keine der oben beschriebenen Verletzungen der Geschäftsgrundlage des Euro, die erst zur Griechenland- und dann zur Eurokrise führten, verantwortlich. Das heißt aber nicht, dass der jetzt eingeschlagenen Rettungskurs so „alternativlos“ sei, wie sie behauptet. Eine Alternative hatte sie schon vor Wochen selbst genannt: den Auszug Griechenlands aus der Eurozone. Wie man nun weiß, setzt das nicht nur das Einverständnis Griechenlands, sondern aller EU-Partnerländer voraus.
Präsident Sarkozy soll mit der Drohung, aus dem Euro auszusteigen, die Transferunion erzwungen haben. Auch wenn das eine Mär sein sollte, legt diese Meldung die Spur zu einer dritten Alternative für die Deutschen: die Wiedereinführung der D-Mark, als Chiffre für die Aufteilung des Euroraums in einen stabilitätsorientierten nördlichen und einen weniger stringent geführten südlichen Währungsverbund. Eine Transferunion, das zeigt die innerdeutsche Erfahrung, ist ein System organisierter Verantwortungslosigkeit. Spart Bayern einen Euro, muss es 97 Cent abgeben, gibt Bremen einen Euro aus, bekommt es 97 Cent zurück. Kein Wunder, dass sich verantwortliches Wirtschaften weder für die vier Geberländer noch die zwölf (!) Nehmerländer noch lohnt. Genau dieses System führen wir jetzt in Europa ein.
Bevor der Euro völlig scheitert, sollten wir ihn in zwei Einheiten, in eine D-Mark-geführte, die sich an die gültigen Stabilitätskriterien hält, und eine Franc-geführte, aufteilen. Schon heute gibt es 13 unterschiedliche Währungen in der EU, hätten wir mit der Wiedereinführung der D-Mark 14, würde das Projekt Europa dadurch nicht bedroht. Wir sollten uns weder durch apokalyptische Szenarien davon abhalten lassen („das Ende Europas“), noch auf Totschlagargumente hereinfallen. Auch ohne Euro waren wir schon Exportvizeweltmeister. Nach der Einführung des Euro sind unsere Exporte in Nichteuroländer stärker gestiegen als die in die Eurozone. Auch stellt sich schon länger heraus, dass die wegen des Euro ausgebliebenen „competitive devaluations“ in den Südländern für uns nicht nur von Vorteil waren. Erstens sind die ausgebliebenen Abwertungen in diesen Ländern einer der Hauptgründe dafür, dass wir jetzt für deren Finanzprobleme mithaften und zweitens fehlt unserer Volkswirtschaft inzwischen auch die produktivitätsfördernde Langfristwirkung einer aufgewerteten Währung.
Der deutsche Bürger hatte zu keiner Zeit mehrheitlich die Einführung des Euro gutgeheißen. Dass der Euro trotzdem eingeführt wurde, galt damals als Beweis politischer Führungskraft. Inzwischen ist die Geschäftsgrundlage zur Einführung des Euro völlig abhanden gekommen. Es wurde nicht „nur“ gegen den Geist und Buchstaben der Verträge von Maastricht und Lissabon verstoßen, es wurde ein zwischen deutscher Politik und deutschen Bürgern geschlossener Vertrag gebrochen.
Schon deshalb muss das Ruder herumgerissen werden. Eine teilweise Rückabwicklung der Währungsunion in zwei unterschiedliche Währungsblöcke wäre allemal besser, als sehenden Auges auf Grund zu laufen.
Ex-Manager Hans-Olaf Henkel, 70, ist Autor anregend-polemischer Bücher, zuletzt „Die Abwracker“ (Heyne Verlag).