Carsten Frigge fragt, ob Hamburg sich den Uni-Umzug leisten kann. Großprojekte wie die Elbphilharmonie sollen besser gemanagt werden.
Hamburg. Er tritt das wohl härteste Amt im Hamburger Senat an: Als Finanzsenator muss Carsten Frigge (CDU) sich um problematische Beteiligungen wie die HSH Nordbank und Hapag-Lloyd kümmern und die Wünsche der Senatskollegen im Zaum halten - um so die ausufernde Verschuldung in den Griff zu bekommen. Dem Abendblatt stellte er sich an seinem ersten Amtstag zum Interview.
Abendblatt: Herr Frigge, haben Sie sich an die Anrede Herr Senator schon gewöhnt?
Carsten Frigge: Ehrlich gesagt noch nicht. Das war schon so, als zum ersten Mal jemand Herr Staatsrat zu mir gesagt hat. Da habe ich geantwortet: Nein, da verwechseln Sie etwas, mein Name ist nicht Staatsrat, mein Name ist Frigge. Das bleibt auch so.
Abendblatt: Manche Politiker arbeiten Jahrzehnte auf so ein Amt hin. Sie sind erst 2008 aktiv in die Politik eingestiegen. 18 Monate später nun dieser Aufstieg vom Staatsrat zum Senator - fühlten Sie sich verpflichtet oder geht ein Traum in Erfüllung?
Carsten Frigge: Es ist eine große Herausforderung und eine Ehre, Senator zu sein - zumal in der Stadt, in der ich geboren bin. Ich habe aber nicht mein ganzes Leben lang danach gestrebt, Senator zu werden. Das hat sich so ergeben.
Abendblatt: Sie haben Ihre Vereidigung mit "So wahr mir Gott helfe" beendet. Sind Sie gläubig? Oder erhoffen Sie sich angesichts der Finanzprobleme göttlichen Beistand?
Carsten Frigge: Beides. Die Hoffnung auf göttlichen Beistand ist in Anbetracht der großen Aufgabe sicher nicht verkehrt.
Abendblatt: Das "Beileid", das die SPD mit Blick auf die Finanzlage ausdrückte, ist also berechtigt?
Carsten Frigge: Es hat keinen Zweck, irgendetwas schönzureden. Wir sind in einer schwierigen Situation, der müssen wir uns stellen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Ursachen. Die aktuelle Wirtschaftskrise ist eine davon, eine andere ist, dass diese Stadt 40 Jahre lang über ihre Verhältnisse gelebt hat.
Abendblatt: Na ja, immerhin fast neun Jahre mit einem CDU-Bürgermeister.
Carsten Frigge: Und immer in dem Bestreben, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen - was Michael Freytag vor der Weltwirtschaftskrise ja auch gelungen ist, zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte der Stadt.
Abendblatt: Gehen wir die Probleme mal durch. Stichwort HSH Nordbank. Wird die Bank Hamburg noch mehr kosten als die 1,5 Milliarden Euro für die Rettung?
Carsten Frigge: Ich gehe bislang nicht davon aus. Aber ich weiß es auch schlicht nicht, weil ich bislang mit keinem Vertreter der HSH gesprochen und kein einziges Papier der Bank gesehen habe. Im Moment ist sie auf einem guten Kurs. Es ist gelungen, den Jahresfehlbetrag von 2,8 Milliarden Euro in 2008 auf 0,7 Milliarden in 2009 zu reduzieren. Das ist aus meiner eher externen Sicht als Staatsrat der Wirtschaftsbehörde ein beachtliches Ergebnis.
Abendblatt: Stichwort Wirtschaftsbehörde: Sind Schiffsfinanzierungen ein Geschäftsfeld der Zukunft?
Carsten Frigge: Auf jeden Fall. Die Frage ist, ob es eines für die HSH Nordbank sein wird.
Abendblatt: Die Bank ist der größte Schiffsfinanzierer der Welt.
Carsten Frigge: In der Schifffahrtskrise verteilen sich die Marktanteile neu, auch die Chinesen streben jetzt beispielsweise in den Markt der Schiffsfinanzierungen. Es muss sich zeigen, wie die HSH Nordbank nach der Krise in diesem Bereich aufgestellt ist.
Abendblatt: Schwingt da Skepsis mit?
Carsten Frigge: Unbedingt.
Abendblatt: HSH-Chef Nonnenmacher hat kürzlich betont, auch in Zukunft auf Schiffsfinanzierungen zu setzen. Das sehen Sie skeptisch?
Carsten Frigge: Nicht skeptisch. Es schwingt nur Skepsis mit. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Im Übrigen habe ich volles Vertrauen in die Einschätzung von Herrn Nonnenmacher, er versteht davon viel mehr als ich.
Abendblatt: Halten Sie an dem Ziel des Senats fest, sich ab 2013/2014 von Anteilen an der HSH trennen?
Carsten Frigge: Die Zeitachse kann ich noch nicht beurteilen, aber ich halte an dem Plan fest, sich von Teilen zu trennen. Dieses Ziel wurde mit dem Börsengang ja bereits vor der Krise angestrebt. Städte, Länder und Politik sollten nicht auf Dauer versuchen, Banker zu sein. Außerdem hat sich gezeigt, wie schnell Probleme in diesem Bereich auch die Eigentümerländer in Gefahr bringen können.
Abendblatt: Stimmt es, dass Sie mit HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper befreundet sind?
Carsten Frigge: Befreundet ist vielleicht ein bisschen zu weit gehend. Aber ich kenne ihn schon lange aus meiner Beratungstätigkeit bei Roland Berger, als wir die Deutsche Bank beraten haben und er dort Vorstandsvorsitzender war. Und der Kontakt hat sich auch im Privaten fortgesetzt.
Abendblatt: Hilft das bei der Beurteilung der HSH Nordbank?
Carsten Frigge: Das werden wir sehen. Bislang habe ich mit ihm darüber noch nicht gesprochen.
Abendblatt: Ein weiteres Problem ist die Elbphilharmonie. Was kann ein Finanzsenator tun, um die Explosion der Kosten zu stoppen?
Carsten Frigge: Sehr wenig. Die Instanz, die mit den Auftragnehmern verhandelt, ist die ReGe. Sie wickelt das Projekt ab.
Abendblatt: Was halten Sie grundsätzlich von der Elbphilharmonie?
Carsten Frigge: Für die Stadt ist es ein großartiges Projekt, das, was die Kosten angeht, gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist.
Abendblatt: Ist das symptomatisch für öffentliche Projekte?
Carsten Frigge: Als Stadt ist uns das in der Tat nicht nur bei der Elbphilharmonie passiert. Es geschieht aber nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen Gebietskörperschaften, bei anderen Bauvorhaben. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir zu einer Professionalisierung im Management solcher Projekte kommen. Ich bin nicht sicher, ob wir als öffentliche Hand in allen Bereichen vergleichbare Kompetenzen haben wie unsere Auftragnehmer, ob wir mit Waffengleichheit agieren.
Abendblatt: Hamburg hat vor Jahren die Hochbauabteilung der Baubehörde kräftig zusammengestrichen. Ist das so ein Punkt mangelnder Professionalität?
Carsten Frigge: Ich kann noch nicht sagen, wie diese Professionalitätslücke zu schließen ist, aber ich habe den Eindruck, dass es sie gibt. Und wir müssen uns fragen, wie wir sie schließen können.
Abendblatt: Ein weiteres Problem: Die Kosten für die Schulreform sind noch immer nicht bekannt. Die Zahlen schwanken zwischen gut 200 und 600 Millionen Euro. Darf sich eine hoch verschuldete Stadt wie Hamburg auf ein solches Wagnis einlassen?
Carsten Frigge: Wir dürfen es - formal betrachtet. Aber ich weiß nicht, ob man so etwas noch ein zweites Mal täte. Wir haben mit der Schulreform begonnen, als wir alle noch nicht die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise vorhersehen konnten. Damals war der Haushalt ausgeglichen, und wir gingen von größeren Handlungsfreiheiten aus.
Abendblatt: Der Rechnungshof-Präsident spricht von einem finanzpolitischen Blindflug. Wie nennen Sie diese Art der Vorgehensweise?
Carsten Frigge: Entscheidung unter Unsicherheit. Das ist ein in der Betriebswirtschaft außerordentlich bekanntes Phänomen, das man auch bei fast allen Entscheidungen im Leben hat.
Abendblatt: Was sagen Sie als Steuerzahler dazu, wenn die Politik Ihnen Kosten in unbekannter Höhe aufbrummt für eine nicht bestellte Reform?
Carsten Frigge: Ich habe als Steuerzahler Verständnis dafür, dass man Kosten von Vorhaben vorher oft nicht abschätzen kann, weil man den Weg dahin noch nicht genau kennt. Wir werden uns aber bei einer Reihe von Projekten fragen, ob wir sie uns noch leisten können, ob sie noch finanzierbar sind. Die Schulreform gehört nicht dazu, weil sie eines der zentralen Vorhaben aus dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag ist.
Abendblatt: Dann ist ja die Frage naheliegend, ob sich die Stadt den Teilumzug der Universität auf den Grasbrook leisten kann.
Carsten Frigge: Das werden wir genau rechnen, und dann werden wir es wissen. Wir müssen uns fragen, welchen Sanierungsstau und Erweiterungsbedarf die Universität hat. Dann: Können und wollen wir das am jetzigen Standort realisieren? Wenn nicht, dann müssen wir uns fragen, welche Alternativen es gibt. Die stadtentwicklungspolitische Dimension ist das eine, aber eine entscheidende Rolle spielt die Frage, ob wir uns das Ganze leisten können.
Abendblatt: Kann es sein, dass Sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Stadt den Uni-Umzug oder die Stadtbahn gar nicht leisten kann?
Carsten Frigge: Es könnte passieren, dass man das diskutiert. Der Finanzsenator entscheidet ja nicht allein, was ich persönlich bedaure, sondern das geschieht im Austausch mit den Kollegen im Senat.
Abendblatt: Ist eine umfassende Konsolidierungspolitik überhaupt möglich oder ernsthaft gewollt in diesem Bündnis?
Carsten Frigge: Mein Eindruck ist, dass in dieser Koalition ein deutliches Bewusstsein von der Dimension einer nachhaltigen Haushaltspolitik vorhanden ist. Man muss vielleicht an der einen oder anderen Stelle die Notwendigkeiten und Zwänge, die durch diese Konsolidierung gegeben sind, in der Diskussion mit den Kollegen noch einmal wieder deutlich machen.
Abendblatt: Was ist Ihr Konsolidierungsziel? Wo muss Hamburg 2012 stehen?
Carsten Frigge: Natürlich ist mein Ziel, einen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen. Wenn man die jetzige Lage ehrlich betrachtet, wird das aber bis zur nächsten Wahl nicht gehen.
Abendblatt: Woran werden Sie sich dann messen lassen?
Carsten Frigge: Daran, wie weit wir auf diesem Weg gekommen sind.
Abendblatt: Ihre Vorgänger Michael Freytag und Wolfgang Peiner haben viel städtisches Vermögen verkauft und unter anderem auch damit einen ausgeglichenen Haushalt erreicht. Setzen Sie diesen Kurs fort?
Carsten Frigge: Nicht als Ziel der Haushaltskonsolidierung. Aber Hamburg hat mehr als 250 Unternehmensbeteiligungen. Ich werde mir jede einzelne anschauen und danach fragen, ob überhaupt oder in welcher Höhe das Engagement der Stadt Sinn macht. Es geht nicht darum, das Tafelsilber zu verscherbeln. Die Prüfung kann auch ergeben, dass es umgekehrt sinnvoll ist, Anteile aufzustocken.
Abendblatt: Woran denken Sie?
Carsten Frigge: Beim Flughafen zum Beispiel ist die Frage, ob wir 50,1 Prozent besitzen müssen oder ob 25,1 Prozent reichen, um Einfluss auszuüben. Bei der HHLA kann das bedeuten, dass knapp 70 Prozent für die Stadt eine taktisch ausgesprochen gefangene Situation sind. Knapp 70 Prozent bedeuten keinen größeren Nutzen, als wenn man nur 50,1 Prozent hält. Das könnte dazu führen, eine zweite Tranche zu verkaufen.
Oder, was ich glaube: Es könnte klug sein, wieder mehr Einfluss auf die HHLA zu haben, weil sie für die Stadt zum Beispiel beschäftigungspolitisch und für die Entwicklung des Hafens von entscheidender Bedeutung ist. Dann könnte es richtig sein, zu sehr günstigen Kursen, die wir ja gerade haben, und trotz unserer schwierigen Finanzlage noch gut fünf Prozent hinzuzukaufen, um mit 75,1 Prozent dann einen Beherrschungsvertrag abschließen zu können.
Abendblatt: Das klingt so, als ob Sie sich schon festgelegt haben.
Carsten Frigge: Nein, aber diese Variante ist meine Ausgangshypothese.
Abendblatt: Wie gefährlich ist die Politik der Spendierhosen für die CDU als eine Partei, von der es immer hieß, sie kann mit Geld umgehen?
Carsten Frigge: Es wird an der CDU sein zu zeigen, dass sie Finanzpolitik als ihre Kernkompetenz begreift und danach handelt. Ich würde nicht sagen, dass wir bisher die Spendierhosen anhatten, aber wir haben uns im Koalitionsvertrag zu einer Reihe von kostenintensiven Aktivitäten verpflichtet. Jetzt müssen wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner sehen, ob wir daran noch festhalten wollen.
Abendblatt: Wann haben Sie zuletzt Monopoly gespielt?
Carsten Frigge: Das ist lange her, vielleicht 30 Jahre.
Abendblatt: Monopoly heißt die Strategie, mit der die SPD der Koalition finanzpolitische Unfähigkeit nachweisen will. Inwiefern stellen Sie sich schon auf harte Attacken der Opposition ein?
Carsten Frigge: Meine Theorie ist: Irgendwas ist immer. Ich sehe das gelassen.